Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1997) (94)

DENKMALSCHUTZ IN LIECHTENSTEIN 1994 HANSJÖRG FROMMELT Im Jahr 1994 feierte der liechtensteinische Denk- malschutz ein Jubiläum.1 Vor fünfzig Jahren, am 28. Februar 1944, war mit der Einführung des ers- ten Denkmalschutzgesetzes die Basis für den Denk- malschutz im Lande Liechtenstein geschaffen worden.2 Seit dieser Zeit sind mehr als 150 Objekte - darunter nicht nur Kirchen, Kapellen, Wohn- häuser, Burgen und Burgruinen, sondern auch Ein- zelobjekte wie zum Beispiel Holzplastiken oder Pergamenturkunden - unter Denkmalschutz ge- stellt worden. Trotzdem war man sich bewusst, dass «nur ein Bruchteil des erhaltenswerten Kul- turgutes auch tatsächlich gerettet werden kann».3 Besonderes Augenmerk sollte aus diesem Grunde - gerade im Jubiläumsjahr - der Durchführung ver- mehrter Öffentlichkeitsarbeit geschenkt werden. Es galt das Bewusstsein darüber zu wecken, «dass der Kulturauftrag zum Erhalt und zur Pflege unseres Erbes an jeden einzelnen von uns gerichtet ist und nur bedingt institutionalisiert werden kann».4 Ganz im Sinne dieser Bewusstseinsförderung nahm Liechtenstein 1994 zum zweiten Mal an den vom Europarat in seinen Mitgliedstaaten durchgeführ- ten «Tagen des offenen Denkmals» teil. Von der Möglichkeit, historische Stätten und schützenswer- te Objekte unter fachkundiger Leitung besuchen zu können, machten rund 2 500 Personen Gebrauch. Dieses beachtenswerte Publikumsinteresse be- scherte der europäischen Denkmalaktion im Klein- staat Liechtenstein einen unerwartet grossen Er- folg. Gleichwohl sollte die im Jahr 1989 formulierte Mahnung des Sekretärs der Eidgenössischen Kom- mission für Denkmalpflege, dass es längst nicht mehr die Frage sei, «ob wir diesen oder jenen 'gut- en' alten Bau erhalten wollen; es stellt sich bald die Frage, ob wir überhaupt noch alte Bauten besitzen, die wir erhalten könnten», immer wieder in Erinnerung gerufen werden.5 Gerade in einem Kleinstaat wie Liechtenstein sind die Ressourcen an historischer Bausubstanz schnell verbraucht. Konsultiert man den Tätigkeitsbericht6 der Denkmalschutz-Kommission der Fürstlichen Regie- rung, fällt auf, dass im Jahr 1994 keine Bauten oder Ortsteile unter Schutz gestellt worden sind. Leider ist im Oktober 1994 mit den Hofstätten Nr. 
74 und 76 im Ortsteil «Iradug» in Balzers/Mäls eine markante Häusergruppe abgebrochen wor- den. Dieser Verlust belegt einmal mehr das Unver- ständnis gegenüber alter Bausubstanz und schüt- zenswertem Ensemble. Anlässlich einer in sich wiedersprüchlich geführten Diskussion um den Er- halt der Bauten erteilte der Gemeinderat von Bal- zers entgegen der Empfehlung der Denkmalschutz- Kommission der Fürstlichen Regierung den Eigentümern die Abbruchbewilligung unter der Be- dingung, dass «die Häuser im gleichen Stil, gemäss den Plänen des Vorprojektes, wieder erstellt wer- den» müssen. Mit der Auflage des Wiederaufbaus glaubte der Gemeinderat den Anforderungen des Ortsbildschutzes ausreichend Rechnung getragen zu haben.7 Historische Bausubstanz, deren Qualität schon vor Jahren erkannt worden war, musste so- mit im Jubeljahr der liechtensteinischen Denkmal- pflege einer unbefriedigenden Kopie weichen.8 Mit der Eröffnung eines vom Liechtensteini- schen Landesmuseum geführten Wohnmuseums im Schellenberger Holzwohnhaus Nr. 12 - auch als Haus Biedermann bekannt - im Frühjahr 1994 konnte die Translozierung des Denkmals zu Ende 1) Pattyn (1994). 2) «Gesetz vom 28. Februar 1944 betreffend den Denkmalschutz». LGB1., Jg. 1944, Nr. 4. Das heute geltende Gesetz stammt aus dem Jahr 1977 und löste jenes von 1944 ab: «Denkmalschutzgesetz vom 14. Juni 1977». LGB1., Jg. 1977, Nr. 39. 3) Pattyn (1994). Anlässlich einer Medienkonferenz ging auch Regierungsrätin Dr. Andrea Willi, Inhaberin des Ressorts Kultur, auf diese Problematik ein: Vgl. Meier (1994) und Vogelsang (1994). 4) Pattyn (1994). 5) Martin Fröhlich als Sekretär der Eidg. Kommission für Denkmal- pflege. Vgl. Fröhlich (1989), S. 56. 6) Der Tätigkeitsbericht ist jeweils im Rechenschaftbericht der Fürstlichen Regierung wiedergegeben. Vgl. für das Jahr 1994 den Rechenschafts-Bericht (1994). 7) Über die Debatte des Gemeinderates von Balzers berichtete eine liechtensteinische Tageszeitung unter dem bezeichnenden Titel «Wiederaufbau und Schutz des Ortsbildes». In: LVolksblatt, Freitag/Samstag, 13./14. April 1990. 8) «Der Ortsteil in Mäls, der am geschlossensten wirkt, ist Iradug.» Aus: Gstöhl; Vogt (1979), S. 49. 267
	        

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