Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1997) (94)

PETER KAISER IM LICHTE DER NACHWELT JÖRG GERMANN des besiegt waren, behielt der Mensch es als sein Reittier. So berichtet Kind von dieser Versamm- lung. Ich selbst glaube und könnte es mit dem Cha- rakter Peter Kaisers nicht anders vereinbaren, dass er die Fabel noch weiterführte und zufügte, dass es dann zwischen dem Menschen und dem Pferde zu einem Abkommen kam, wonach sie sich zu gegen- seitiger Hilfeleistung unter Wahrung gewisser Rechte jedes Partners verpflichteten.»163 Hier leuchtet die schöne Absicht, auch Zweifler und Gegner Kaisers versöhnlich zu stimmen, das Anlie- gen, das den ganzen Vortrag durchzieht, deutlich hervor. Es ist dies, obgleich historisch unrichtig, bestimmt im Sinne Kaisers, der, als reifer Mann, immer die Verständigung suchte. 1964 Langsam scheinen sich nun aber die Wogen des Widerstands zu glätten. Peter Kaiser braucht nicht länger verteidigt zu werden. Die gründlichen Ab- handlungen und engagierten Vorträge haben ihre Wirkung getan: Peter Kaiser hat, so wie er nun ein- mal war, die ihm gebührende Ehre und Anerken- nung gefunden. So kann Robert Allgäuer 1964 auf- schlussreiche Dokumente aus der Freiburger Zeit an- und einfügen, ohne den jungen Kaiser akkurat entschuldigen zu müssen.164 Briefe des Studenten, Zeugnisse seiner Freunde und Auszüge aus Ver- handlungsprotokollen verhafteter Burschenschaf- ter zeigen, dass einerseits jenes Kaiser oft und noch spät zum Vorwurf gemachte Gedicht mit dem Knalleffekt der letzten Strophe164a zwar vor einem ernsthafteren Hintergrund entstanden ist, indem die Studenten wirklich eine Abkehr von Rom erwo- gen,165 dass anderseits aber der überschwengliche Stil dieses wie auch der andern Gedichte klischee- haft und konstruiert wirkt und also wenig oder nur mittelbar aus dem eigenen Erleben und Denken fliesst. Eine gewisse Ausnahme bildet das «Feuer- lied»166, das mit mehr Herzblut geschrieben zu sein scheint. Der schwülstige Patriotismus, der in die- sem wie in Liedern anderer Autoren des 19. Jahr- hunderts beschworen wird, hat sich in der Zukunft 
verheerender ausgewirkt als der launische Ausfall gegen die «Pfaffen». BEITRÄGE AUS GRAUBÜNDEN Historiker des reformierten Bündens hatten mit Pe- ter Kaiser keine Mühe, schon deshalb nicht, weil sie Humanismus, Aufklärung und Liberalismus grundsätzlich positiv bewerten und den Liechten- steiner also bedenkenlos, ohne an seinem Lob zu kratzen, mit diesen Geistesströmungen in Verbin- dung bringen. Martin Bundi spricht in seinem Vor- trag von 1990 («Peter Kaiser und sein Wirken in Graubünden»167) von «einer tiefreligiösen und ei- ner humanistischen Verankerung» Kaisers, und dass er «sowohl die positiven Errungenschaften des Liberalismus als auch die neuen Erkenntnisse auf dem Gebiete der Erziehung, wie sie von Pesta- lozzi und Fellenberg erarbeitet worden waren»168, aufgenommen und umgesetzt habe. Pestalozzis 158) Aus dem kurzen Programm von 1839 («Einige Worte über Erziehung und Unterricht») werde deutlich, «wie sehr sich Kaiser im Anschluss an Gedanken von Bischof Johann Michael Sailer von der weltanschaulich flachen Aufklärung zur gläubigen Romantik hinge- wandt hatte.» Müller 1971, S. 9. 159) «Der Sprung von Aarau nach Disentis bedeutete eine Wende ...» Ganze Stelle oben S. 202 zitiert. 160) Büchel 1923, Einleitung «Peter Kaiser», o. S. 161) Ritter 1944, S. 21. 162) Kind 1905, S. 29. 163) Ritter 1944. S. 25. 164) Allgäuer 1964. 164a) «0 Gott! hast Alles gut gemacht. Und willst nicht Dummheit, Knechtschaft, Nacht; Du willst ein wahrhaft göttlich Reich: Drum tödt' die Pfaffen alsogleich». Allgäuer 1964, S. 56. 165) «Es ist zu beachten, dass der später nachgewiesenermassen sehr tolerante Kaiser in seiner Freiburger-Zeit für die Kirchenfrei- heit eintrat und in Deutschland auch eine kirchliche Einheit erhoff- te,was aber mit Rom und seinen «Pfaffen» nicht möglich schien.» Allgäuer 1964, S. 51. 166) Allgäuer 1964, S. 25 f. 167) Bundi 1991. 168) Ebenda, S. 139. 205
	        

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