Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1997) (94)

PETER KAISER IM LICHTE DER NACHWELT JÖRG GERMANN 1905 Nachdem Kaiser, zumindest im Fürstentum, jahr- zehntelang fast vergessen und sein Name, wie die behandelten Texte zeigen, nur sporadisch in grös- seren Werken aufgetaucht war, widmete ihm Franz Josef Kind, der schon den Artikel in die «Allgemei- ne Deutsche Biographie» gesetzt hatte, im Histori- schen Jahrbuch Bd. 5 eine längere biographische Skizze.28 Da sich der Verfasser weitgehend auf den Nachruf von Kaisers Freunden29 abstützt und oft und lang daraus zitiert30, schwingt noch der warme Ton persönlicher Begegnung mit. Kind standen überdies Briefe des jungen Studenten zur Verfü- gung, was ebenfalls menschliche Nähe beschwört. Und selbst für Kaisers Abschiedsrede vor seiner Reise nach Frankfurt wird ein unmittelbarer Zeu- ge31 aufgerufen, der Kind Kaisers Fabel «Vom Pfer- de und dem Menschen»32 mitteilt mit der hübschen Bemerkung, dass Landesverweser «Menzinger den Redner fortwährend scharf im Auge behielt»33. Mit Kinds Stil, der auf Vergegenwärtigung ab- zielt, hängt zusammen, dass, auch dies übrigens ganz im Sinn der «Erinnerung», besonders Kaisers pädagogisch-didaktische Begabung gerühmt wird.34 Immerhin befasst sich ein kurzes Kapitel mit «Pe- ter Kaiser als Schriftsteller». Einige «sehr wertvolle geschichtliche Arbeiten, die ihm unter den Ge- schichtsforschern und Geschichtsschreibern einen ehrenvollen Namen bleibend sichern»35, werden genannt. Etwas ausführlicher sind die Ereignisse von 1848 dargestellt. Dazu schreibt Kind: «Eines- teils etwas republikanisch angehaucht, was sich auch in der das Jahr vorher veröffentlichten Ge- schichte des Fürstentums durchblicken lässt, war er andernteils ein Mann des Rechtes, dessen Grundsatz war, dem Fürsten zu geben, was des Fürsten ist, und dem Volke, was es billigerweise beanspruchen darf. Zudem verstand er sich durch sein leutseliges, menschenfreundliches Wesen vor- züglich auf Vermittlung, und so hat er gewiss viel dazu beigetragen, dass diese Bewegung im Lande einen verhältnismässig ruhigen Verlauf nahm.»36 Damit wurde Kaisers kurzer, aber entscheidender Eingriff in die liechtensteinische Politik erstmals, 
wenn auch vorsichtig, gewürdigt. Ein weiteres Ver- dienst von Franz Josef Kind ist die Wiedergabe des öffentlichen Briefes «An meine Landsleute»37. In ein Dilemma gerät Hochwürden Kind, wenn er den Widerstand der bischöflichen Kurie gegen die Wahl Peter Kaisers an die nach St.Luzi zurück verlegte katholische Kantonsschule beurteilen soll. Dass einerseits «ein gewisser Verdacht» gegen Kai- ser aufkommen konnte, verstehe sich aus seiner Vergangenheit: der Universitätsbildung in Wien und Freiburg, die «eben stark josephinisch und aufklärerisch durchsetzt war», und den «freund- schaftlichen Beziehungen zu berühmten Protestan- ten, wie Fellenberg, Pestalozzi, Nabholz38 usw.». Anderseits müsse er, Kind, aber sagen, «dass man ihn nach unserem Erachten zu streng beurteilt 23) Siehe dazu Brunhart 1993, S. 55, Anm. 127. 24) Bazzigher 1904. 25) Ebenda. S. 74. 26) Ebenda. S. 105. 27) Ebenda, S. 106. 28) Kind 1905. 29) Erinnerung 1864. 30) Ebenda. Unter anderm sind manche der oben S. 2 wiedergege- benen Textstellen verwendet. 31) Kanonikus Johann Baptist Büchel d. Ä. Über ihn siehe Martin 1967, S. 145 f. Nicht zu verwechseln mit Johann Baptist Büchel d.J., dem Herausgeber der zweiten Auflage von Kaisers Chronik. Auch er ist in Martin 1967 kurz behandelt: S. 148 f. 32) Siehe unten S. 202 f. 33) Kind 1905, S. 29. 34) In späteren Arbeiten, die vermehrt auf schriftlichen Dokumenten fussen, tritt dieser Gesichtspunkt natürlich etwas zurück. 35) Kind, S. 25. 36) Ebenda, S. 27 f. 37) Ebenda, S. 32-36. Jetzt auch abgedruckt in Brunhart 1993, wo die paar Korrekturen Kinds, die z. T. auf Lesefehler zurückzuführen sind, meist aber wohl eine sprachliche Vereinfachung bringen sollen und die zumindest im einen Fall auch den Inhalt tangieren (in den Schlusssatz «Denn die Folgen unserer Handlungen kommen aus Gottes Hand» setzt Kind «die guten Folgen» ein), berichtigt sind. 38) Ebenda, S. 21. Nabholz war allerdings kein Protestant, sondern ein katholischer Geistlicher. 189
	        

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