Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1997) (94)

SPRACHGESCHICHTLICHER ÜBERBLICK Will man die sprachlichen Veränderungen in der Walsergemeinde Triesenberg beschreiben, ist es vorab sinnvoll, sich der sprachgeschichtlichen Ent- wicklungen bewusst zu sein, die zur gegenwärtigen Situation geführt haben. Die Triesenberger leben ja seit sieben Jahrhunderten in einem Gebiet, das sich sprachlich deutlich von ihrer höchstalemanni- schen Walsermundart unterscheidet, und haben dennoch bis heute ihre Eigenständigkeit weitge- hend erhalten. Das 20. Jahrhundert hat die Welt näher zusammenrücken lassen, so dass auch die Sprachinsel Triesenberg neben vielen anderen Ein- flüssen vermehrt dem Kontakt mit der nicht-walse- rischen Talmundart Liechtensteins ausgesetzt ist. In vorchristlicher Zeit bewohnten Räter und Kel- ten das heutige Liechtenstein. Das Keltentum hat im Vorarlberger, Liechtensteiner und Bündner Rheintal in den Namen von Wasserläufen und Ort- schaften so deutliche Spuren hinterlassen, dass eine zunehmende sprachliche Vorherrschaft über das Rätische vermutet werden darf. Daneben ist aber im Rheingebiet eine ältere Schicht vorrömi- scher Namen erhalten, die sich nicht aus dem Kel- tischen deuten lassen, und die ein Fortbestehen des rätischen Volkstums auch in der Zeit der kelti- schen Vormacht augenscheinlich machen. Bis zum Jahr 15 v. Chr. kann demnach davon ausgegangen werden, dass rätisch und keltisch nebeneinander gesprochen wurden. 15 v. Chr. wurde Rätien von den Römern unterworfen und romanisiert. Latein wurde zur Verkehrssprache, die allmählich auch von der ansässigen Bevölkerung übernommen wurde. In das importierte Vulgärlatein floss aller- dings einheimisches Sprachgut ein, so dass sich aus dieser Vereinigung das sogenannte Rätoroma- nische entwickelte. Die Germanisierung Rätiens durch die Aleman- nen setzte im Liechtensteiner Rheintal nur zögernd ein und geht Hand in Hand mit dem Untergang des römischen Reiches. Von ihren ersten Vorstössen im 3. Jahrhundert dauerte es bis Mitte des 5. Jahrhun- derts, ehe die Alemannen ins Bodenseegebiet vor- drangen, während die Besiedlung der Alpentäler 
gar erst im 8./9. Jahrhundert einsetzte. Die rätoro- manische Sprache erhielt also noch vor der Jahr- tausendwende Konkurrenz durch das Deutsch der Alemannen. Es begann ein Ablösungsprozess, der dazu führte, dass sich in Liechtenstein gegen Ende des 13. Jahrhunderts die deutsche Sprache durch- gesetzt hatte. Als um 1280 die Vorfahren der Triesenberger aus dem unteren Teil des deutschsprachigen Ober- wallis in Liechtenstein einwanderten, befand sich die einheimische Bevölkerung am Ende einer Pha- se der Zweisprachigkeit. Die eingewanderten Wal- ser boten der Verdeutschung Liechtensteins eine letzte wirksame Unterstützung.9 Die sprachliche Entwicklung im Wallis, also im Heimattal der Triesenberger, verlief ähnlich wie in Liechtenstein. In vorchristlicher Zeit war das Tal von gallischen und keltischen Stämmen bewohnt, ehe 15 v. Chr. mit der Eroberung Helvetiens die Romanisierungs- phase einsetzte. Noch vor dem Jahr 1000 drangen Alemannen, die Vorfahren der Triesenberger, vom Berner Oberland ausgehend ins Wallis vor. Schon nach wenigen Generationen haben sich aber Teile dieses Volkes zur Weiterwanderung entschlossen und zogen in alle Himmelsrichtungen, um sich ir- gendwo niederzulassen. Eine dieser Walsergrup- pen ist, wie bereits erwähnt, um 1280 im Gebiet des heutigen Liechtenstein gelandet.10 Sprachlich gehören die Triesenberger zusam- men mit den Waisern in Davos und Vorarlberg zur sogenannten Davoser Gruppe. Sie weisen sich nämlich durch ein Merkmal ihrer Mundarten als aus dem gleichen Gebiet im Oberwallis stammend aus und unterscheiden sich dadurch von der ande- ren Walserkolonie unserer Gegend, der Rhein- walder Gruppe. Das Oberwallis lässt sich aufgrund der Ausspra- che von mittelhochdeutsch <ae> zweiteilen. Im oberen Teil wird mhd. <ae> zu mundartlichem [ä], während das untere Oberwallis zu [e] verengt.11 Beispiel: schwer, leer (mhd. swaere, laere) Oberes Oberwallis: [schwäär], [läär] Unteres Oberwallis: [schweer], [leer] 14
	        

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