Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1997) (94)

SPRACHWANDEL IN TRIESENBERG/EINLEITUNG TONI BANZER DAS GESCHLECHT Nach Mattheier stehen sich in der modernen Dialektologie zwei unterschiedliche Positionen be- züglich des Einflusses des biologischen Geschlechts auf die Sprache gegenüber. Einerseits gilt die Frau- ensprache als konservativ und am Altüberlieferten orientiert, die Männersprache hingegen mehr dem Neuen geöffnet, andererseits sind Frauen leichter als der Mann bereit, modischere und prestigerei- chere, d. h., von der grösseren Anzahl Sprecher verwendete, Ausdrucksweisen zu übernehmen.7 Daraus lässt sich eigentlich nur schliessen, dass die Gründe, weshalb sich Frauensprache von Män- nersprache unterscheidet, nicht eben leicht zu eru- ieren sind. Die Untersuchung hat zu zeigen, welche Position für den Sprachwandel in Triesenberg zu- treffender ist. DIE BERUFSART Auch die Art eines Berufes kann sich auf die Spra- che auswirken. Obwohl Wolfensberger 1967 in Stäfa keinen Einfluss des Berufes auf die Sprach- veränderung ausmachen konnte, scheint sich mehr als 20 Jahre nach seiner Studie die Aus- gangslage verändert zu haben. Man braucht dabei nur an den rasanten Einzug der Technik in die Ar- beitswelt zu denken, der bewirkt hat, dass es heute vermehrt Berufe mit hohen kommunikativen An- forderungen, enormer Schriftorientiertheit etc. gibt. Aus diesen Gründen ist es nicht abwegig zu ver- muten, dass Sprecher in ausgeprägt schrift- und kommunikationsorientierten Berufen mehr Neue- rungen in ihren Idiomen aufweisen als Personen in manuellen, wenig schrift- und kommunikationsori- entierten Berufen. DER BERUFSORT Für eine Sprachinsel wie Triesenberg spielt der Ort, an dem die Menschen ihrem Erwerb nachgehen, 
eine besondere Rolle. Pendler in andere Gemein- den verlassen täglich ihr eigenes Mundartgebiet und kommen intensiv mit fremden Mundarten in Kontakt. Jeder Triesenberger, der im Tal arbeitet, hört nicht nur andere Mundarten, sondern ist auch gezwungen, mit Sprechern dieser Mundarten zu kommunizieren, so dass ein Einfluss auf die Spra- che angenommen werden darf. Pendler/innen aus Triesenberg sollten deshalb stärker dazu neigen, Veränderungen in ihre Mundart aufzunehmen als Nicht-Pendler/innen.8 DIE HYPOTHESEN IM ÜBERBLICK 1. Junge Triesenberger/innen produzieren mehr sprachliche Neuerungen als ältere Triesenberger/ innen. 2. Triesenbergerinnen sprechen anders als Trie- senberger. Frauen und Männer neigen in unter- schiedlichem Ausmass zur Übernahme von Neue- rungen. 3. Manuell tätige Triesenberger/innen produzie- ren weniger Neuerungen als kommunikativ tätige Triesenberger/innen. 4. Triesenberger/innen, die im Heimatort arbei- ten, produzieren weniger Neuerungen als Triesen- berger/innen, die im Tal arbeiten. Die Korpusanalyse wird zeigen müssen, ob und in welchem Mass die gewählten sozialen Faktoren relevant für den Sprachwandel in Triesenberg sind und ob die Hypothesen verifiziert werden können. 1) Labov 1966. 2) Wolfensberger 1967. 3) Mattheier 1980, S. 71. 4) Lippi-Green 1990. 5) Mattheier 1980. S. 39ff. 6) Christen 1988, S. 81. 7) Mattheier 1980, S. 26. 8) Mattheier 1983, S. 1464f. 13
	        

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