Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1997) (94)

SPRACHWANDEL IN TRIESENBERG/VORWORT TONI BANZER Vorwort Die vorliegende Arbeit zum Sprachwandel in Trie- senberg entstand im Verlaufe des Jahres 1990 und wurde im Wintersemester 1990/91 an der Philosophischen Fakultät der Universität Freiburg (Schweiz) von Professor Dr. Walter Haas als Lizen- tiatsarbeit angenommen. Für diese gedruckte Aus- gabe wurde aus Gründen der besseren Lesbarkeit die phonetische Spezialschrift der Originalversion durch eine Dialektschrift ersetzt, die fast völlig auf Sonderzeichen verzichtet. Als Student der Germanistik mit Schwerpunkt Sprachwissenschaft stand für mich von Anfang an fest, dass ich mich in meiner Lizentiatsarbeit mit einem liechtensteinischen Thema befassen würde. Zum «Sprachwandel in Triesenberg» bin ich schliesslich gekommen, da ich kaum etwas über die Walsermundart der Triesenberger wusste, je- doch immer wieder hörte, besonders die jungen Triesenbergerinnen und Triesenberger sprächen keinen guten Dialekt mehr. Dem wollte ich auf den Grund gehen. Nachdem ich mich über ein Jahr lang intensiv mit den Veränderungserscheinungen befasst hatte, wusste ich, dass die Klagen und Befürchtungen lei- der zurecht geäussert werden. Natürlich erkennt man auch heute noch jeden jungen Triesenberger an seiner Mundart und wird dies auch in naher Zu- kunft können; die Unterschiede zu den Talmundar- ten Liechtensteins sind nämlich so vielfältig, dass der Verlust bestimmter Eigenheiten noch nicht die völlige Preisgabe der sprachlichen Identität bedeu- tet. Aufgrund der Erkenntnisse, die aus der empiri- schen Studie resultieren, muss jedoch prognosti- ziert werden, dass schon in wenigen Jahren, allen- falls Jahrzehnten, einige der hervorragendsten, ur- chigsten Merkmale des Berger Dialekts nur noch aus schriftlichen Quellen zu entnehmen sein wer- den. Ihre mündliche Lebendigkeit wird mit den äl- teren Generationen der Triesenbergerinnen und Triesenberger vergehen. Zu denken ist dabei speziell an den Gebrauch des Adjektivs, welches, im Unterschied zu den Tal- mundarten, in Triesenberg je nach syntaktischer Stellung und Genus etwa flektiert oder unflektiert, mit oder ohne Umlaut, ja sogar flektiert und umge-lautet 
erscheinen kann. Sätze wie [d milch ischd süüri], wo das Adjektiv sowohl Flexionsendung als auch Umlaut erhält, sind bereits heute selten, und wenn, dann meist von älteren Leuten zu hören. Oft heisst es allenfalls noch [d milch ischd suuri], meist aber schon [d milch ischd suur]. Der Sprachwandel ist nicht aufzuhalten. Dies ist auch natürlich und nicht weiter bedauerlich, denn jede lebende Sprache verändert sich. Gesprochene Sprache muss sich ständig wandeln, um den ver- änderten Lebensbedingungen und kommunikati- ven Anforderungen gerecht zu bleiben. Was die Triesenberger Mundart in ihrer Eigenständigkeit aber bedroht, ist das Tempo und die Richtung der Veränderungen. Die Studie zeigt, dass praktisch alle Wandelvorgänge Anpassungen an die Mundar- ten des Tales darstellen und dass sich diese seit Be- ginn der zweiten Hälfte unseres Jahrhunderts be- schleunigt vollzogen haben. Die Gründe dafür sind in den intensiven Kontak- ten der jüngeren Triesenbergerinnen und Triesen- berger mit Sprechern anderer Mundarten zu su- chen. Nicht zu vergessen ist natürlich auch der Ein- fluss, den die permanente mediale Berieselung mit fremden Mundarten und Sprachen ausübt. Entge- gen natürlicher Sprachveränderung ist die Triesen- berger Walsermundart akut bedroht, und es bedarf gezielter Anstrengungen, wenn sie in ihrer Ei- gentümlichkeit auch das kommende Jahrhundert nur annähernd so unbeschadet wie die vergange- nen 700 Jahre überdauern soll. Erfreulich in dieser Hinsicht ist, dass kürzlich unter der kompetenten Leitung von Herbert Hübe und mit Unterstützung der Gemeinde die Sammeltätigkeit für ein Triesen- berger Wörterbuch aufgenommen werden konnte. Im Wortschatz zeigt sich allerdings nur eine Ebene der Mundart. Ebenso dringlich wie das Erfassen von Wörtern, stehenden Ausdrücken, Redewen- dungen usw. wäre auch die grammatische Be- schreibung der Mundart. Ansatzweise wurde dies von Arthur Gassner in seinem Büchlein «Der Wal- serdialekt in Triesenberg» versucht, doch kann und will diese kleine Arbeit keinen wissenschaftlichen Ansprüchen genügen.
	        

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