Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1995) (93)

nun auch die Bäuerin zunehmend nicht nur in die Rolle der Mutter und «Seele der Familie», ja des Staates, sondern auch in die der liebenden, sprich aufopfernden Gattin gedrängt: «Die Aufgabe der Frau ist es auch den Mann geistig anzuregen und jeder Mann, auch der Bauer wird dies nach der Ta- gesarbeit zu schätzen wissen.»410 Damit die Bäuerin zusätzlich zur körperlichen Ar- beit den immer grösseren Forderungen nach seeli- scher Arbeitsleistung als Mutter und Gattin gerecht werden konnte, propagierte die Landwirtschaft- liche Beilage zum einen eine weitgehende Be- schränkung ihres Arbeitsbereiches auf das Haus, zum anderen sollte in Bäuerinnenschulen die sitt- lich-religiöse Erziehung und die «Herzensbildung» der Frauen ein Schwergewicht bilden, da «ohne diese solide Basis [...] keine tüchtigen, opferfähigen Gattinnen und Mütter [herangebildet werden können]».411 Die rein körperliche Arbeit der Bäuerin fand zwar in der Zwischenkriegszeit grosse Beachtung - so rief die Landwirtschaftliche Beilage die Bauern im- mer wieder zur Wertschätzung und Anerkennung dieser «schweren und stillen Arbeit» auf412 -, gleichzeitig wurde sie aber analog zur Hausarbeit als eine dem selbstlosen und aufopfernden Wesen der Bäuerin entsprechende Tätigkeit verklärt und mystifiziert: «Wenn niemand von ihnen spricht, uns soll ihre Selbstverleugnung, ihr Opfermut stets ein Vorbild sein; denn die Bäuerinnen tragen unser Volk.»413 Aus der Verbindung der bäuerlichen Ideologie mit der vermehrten Propagierung der bürgerlichen Rollennorm entstand die Hoffnung und Erwartung an die Bäuerin, unter den Frauen eine Führungs- rolle einzunehmen: Sie galt als Frau, die - noch fest in den althergebrachten Werten verankert - sich auch in der modernen Zeit ihre «stille Innerlich- keit», ihre Bescheidenheit und Selbstlosigkeit erhalten hatte und so zur «Führerin ... auf dem Wege zur wahren Frauenbestimmung geeignet schien».414 Mit der hohen Wertschätzung der Bäuerin und ihrer Bedeutung für Familie und Staat ging gleich- zeitig eine Verpflichtung auf dieses Idealbild einher, 
die im Endeffekt zu einer engeren Einbindung in patriarchalische Rollenmuster und die damit ver- bundene Höherbewertung des Männlichen führ- te.415 Der ihr in bezug auf ihre Bedeutung für Fami- lie und Staat zugemessene hohe Status tat der Min- derbewertung und Unterordnung ihrer Arbeit ge- genüber der des Bauern durchaus keinen Abbruch. So stellte ein Dr. Eigenmann auf der Bauerntagung in Vaduz fest, die Bäuerin müsse dem Bauern nicht nur «verstehende» Gattin, sondern auch «Arbeits- gehilfin» sein. Weiter führte er aus: «Sie versteht das Gewerbe des Mannes, kann sich um den Gang interessieren, seine Stelle vertreten, mitregieren. Sie kann dem Bauern manche Arbeit abnehmen. Die Arbeit ist nicht gesundheitsschädigend, wenn man die rechte Schonung eintreten lässt, wenn Rücksicht auf ihr Naturell genommen wird. Ein Ap- penzellerspruch sagt: <E schös Chüeli und e schöns Fraueli sind si Freud'.>»416 Der Status als «mithelfende Ehefrau» kommt auch in Nachrufen zum Ausdruck: Der Tod von M.K. «raubt dem Gatten die Gattin noch in der Vollkraft der Jahre, die ihm noch lange treue Helferin in Haus und Hof hätte sein sollen».417 Die «ideologische Aufladung» der Arbeit der Bäue- rin in der Zwischenkriegszeit und die damit einher- gehende Annäherung an den Status der Hausfrau lenkte immer mehr von einer gesellschaftlichen «Bewertung» der Bäuerin nach ihrer konkreten Ar- beitsleistung ab. Sie führte indes immer mehr hin zu einer - analog der Hausarbeit - widersprüch- lichen ideologischen Überhöhung der Arbeit der Bäuerin, die vor allem die gesellschaftliche Unter- ordnung verklärte. Schönes Beispiel hierfür ist der Beitrag «Ein Wort an unsere Bauerntöchter» von 1930, der zudem zeigt, dass diese Unterordnung damit auch sichergestellt werden sollte: «Wir [Frauen] möchten alles sein; da müssen wir lang- sam lernen, zurückzustehen, einsehen, dass man nur Mitarbeiterin ist. Doch ist nicht auch das etwas Grosses, all seine Fähigkeiten in den Dienst für Mann und Kinder stellen zu dürfen, an einem Wer- ke stehen, das über die kleine Welt des Ichs hinaus- reicht in die grössere Welt der Allgemeinheit?»418 92
	        

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