FRAUENARBEIT IN LIECHTENSTEIN 1924 BIS 1939 FABRIKARBEITERINNEN / CLAUDIA HEEB-FLECK wiegend Frauen.126 Die Auswirkungen der Welt- wirtschaftskrise in der Industrie trafen darum Frauen ungleich stärker als Männer. Wie Graphik 2 veranschaulicht, verzeichnete die weibliche Belegschaft von 1928 bis 1935 einen we- sentlich grösseren Rückgang als die männliche. Während Männer 1928 nur 27.4 Prozent der Fa- brikarbeiterschaft stellten, machte ihr Anteil 1935 immerhin 34 Prozent aus. In den Unternehmen von Jenny, Spoerry & Cie stieg ihr Anteil gar im sel- ben Zeitraum von 30.3 Prozent auf 41 Prozent.127 Dass der Fmuenanteil - und nicht einfach die ab- solute Zahl der weiblichen Beschäftigten - in der Industrie sank, zeigt, dass der Verlust an Arbeits- plätzen für Frauen nicht nur Resultat der allgemein schlechten Wirtschaftslage, sondern auch Folge eines Verdrängungsprozesses der Frauen aus der Fabrik war.128 Das Bestreben, das karge Arbeitsplatzangebot in der Industrie auf Kosten der Frauen für Männer zu erhöhen, zeigt sich in einem Antwortschreiben des Arbeitsamtausschusses an eine bernische Beklei- dungsfirma, die 1938 beabsichtigte, in Liechten- stein eine Kleiderfabrik zu erstellen. In diesem Schreiben hiess es, dass man am ehesten Interesse hätte, «wenn auch entsprechend männliches Per- sonal beschäftigt werden könnte».129 116) S. 23. 117) Einführung, S. 14. 118) RB, 1931, S. 43f. 119) Böhler, S. 88. 120) Graphik 1. Während sich der gesamte Fabrikarbeiterinnonbestand ab Mitte dreissiger Jahre wieder erholte, stagnierten die Beschäftigtenzahlen in den Textilbetrieben Jenny, Spoerry & Cie. Nur 1937 kam es sowohl bei den Frauen wie bei den Männern zu einem kurzfristigen Anstieg. 121) Die wichtigsten Neugründungen waren: 1928 eine Ausrüsterei, 1931 eine Bettfedernfabrik in Vaduz und 1932 eine Zahnfabrik in Schaan. Mitteilungen der Recht. Handelskammer, 1938, S. 8. 122) Matt, S. 26. 123) Bei der Interpretation der Graphiken 1 und 2 ist zu berücksich- tigen, dass das statistische Material unvollständig und ungenau ist. Die aufgeführten Daten sind den RBen und den Berichten über den Vollzug des Fabrikgesetzes (z.B. LLA, 1935, RF/ 152, Nr. 6: LLA, 1929, RE/266) und den Statistiken des Eidg. Fabrikinspektoratos,
St. Gallen (LIA, 1935. RF/151, Nr. 58; LLA, 1938, RF/176, Nr. 222) entnommen. Vgl. auch Tabelle Anmerkung 127. 124) Geschichte der Schweiz und der Schweizer, Bd. 3, hrsg. von Beatrix Mesmer. Basel, 1983. S. 149 f. 125) Ab 1934 habe ich in den Eidg. Fabrikstatistiken, St.Gallen, Beschäftigteitzahlon für die «Industrie der Steine und Erden» gefun- den. Höchstwahrscheinlich handelt es sich hierbei um die Zahn- fabrik Ramco AG - auch wenn die Angaben in den RBen über die Anzahl der Beschäftigten in der Ramco AG von denjenigen der «Industrie der Steine und Erden» in den Fabrikstatistiken etwas abweichen. Jahr
Beschäftigte Total
Beschäftigte Frauen
Beschäftigte Männer 1934 91
82 9 1935 50 40 10 1936 98 88 10 1937
102 93 9 1938
121 111 10 (Zahlen aus den Eidg. Fabrikstatistiken) Vgl. dazu die RBe, die für die Ramco AG 1934 97 Beschäftigte (davon 55 Frauen) und 1936 zirka 120 Beschäftigte (davon 90 Frauen) angaben. 126) Graphiken 1 und 2; Schnetzler. S. 74. 127) Liechtensteinische Fabrikarbeiterschaft bei Jenny, Fabrikarbeiterschaft Spoerry & Cie, Vaduz und Triesen Anteil M Anteil M Jahr total VV
M am Total total
W M am Total 1926 483
335 148 30.6 % 1928 541 393 148 27.4 % 458 319 139
30.3 % 1929 511
393
152 29.7% 1932 275 185 90
32.7% 1933 258
167 91 35.3% 1934 375 258
117 31.2 % 215 128 S7 40.5 %* 1935 359
236
123 34 % 212 125 87
41 % 1936 404 285 119
29.4 % 210
126 84 40 % 1937 482 349
133
27.6 % 261
172 89
34.1 % 1938 484 347 137 28.3 % 222 138 84 37.8 %** (Zahlen aus den RBen und den Fabrikberichten an das Eidg. Fabrik- inspektorat, St. Gallen) * Dies sind die Zahlen nach der Aufstellung des Eidg. Fabrikinspek- torates. Im RB von 1934 sind höhere Zahlen für die Betriebe Jenny. Spoerry & Cie angegeben: 250 total, davon 156 Frauen und 94 (37.6 %) Männer. ** ln den Mitteilungen der Handelskammer von 1938 ist das Total der Fabrikarbeiterschaft 1938 mit 515 angegeben (S. 8). 128) Vgl. Einleitung, S. 17. Die unterschiedliche Betroffenheit vom Arbeitskräfteabbau hängt auch damit zusammen, dass Frauen vor- wiegend die Arbeitsplätze innehatten, die als erste abgebaut wur- den. Zur Funktion der weiblichen Arbeitskräfte als «Reservearmee», die in wirtschaftlichen Krisenzeiten vom Arbeitsmarkt verdrängt und in Zeiten der Konjunktur wieder als Arbeitskräfte herangezogen werden, vgl. Karin Jurczyk, Frauenarbeit und Frauenrolle. 129) LAV, Dokumente 1935-40, Protokoll des Arbeitsamtsaus- schusses vom 18. 7. 1938. 43