Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1995) (93)

FRAUENARBEIT IN LIECHTENSTEIN 1924 BIS 1939 FABRIKARBEITERINNEN / CLAUDIA HEEB-FLECK nur aus Rücksicht auf ihren Vater auf eine «gute Stelle» als Dienstmädchen in der Schweiz. Sicherlich spielte für diese negative Einstellung der Umstand eine Rolle, dass der Fabrikarbeit das «Stigma» der Arbeit für die ärmsten Bevölkerungs- schichten anhaftete. Zusätzlich stand dahinter aber wohl die verbreitete Vorstellung, dass die Fabrik- arbeit, im Gegensatz zur Hauswirtschaft, eine dem «weiblichen Wesen» nicht entsprechende - ja es gefährdende - Arbeit sei, da sie die Frauen aus ihrem typischen weiblichen Arbeits- und Lebens- bereich hinausreisse.113 Eine ähnliche Haltung gegenüber der Fabrikarbeit kommt beispielsweise auch in Stellenangeboten für Dienstpersonal zum Ausdruck, in denen Arbeitge- berinnen vereinzelt die Bedingung stellten, dass das zukünftige Dienstmädchen kein Mädchen aus der Fabrik sein dürfe.114 Solche Vorstellungen scheinen in Liechtenstein in der Zwischenkriegszeit noch lebendiger gewesen zu sein als in der Schweiz. Im Gegensatz zu den liechtensteinischen jungen Frauen, die dazu tendierten, den Dienstmädchen- beruf höher einzuschätzen als die Fabrikarbeit, er- klärten sich in der Schweiz immer weniger Frauen dazu bereit, in der Hauswirtschaft zu arbeiten, und bevorzugten die Fabrikarbeit oder Tätigkeiten im Verkauf und im Büro bei weitem.115 1061 RBe 1930-39. Vermittlungen des Arbeitsamtes in den dreissiger Jahren: Jahr Dienstpersonal 
Fabrikarbeiterinnen 1930 46 Dienstmädchen 1933 
73 an Hotels u. Gasthöfe 104 (Ramco AG) 70 an Privatdienststellen 1934 
141 (davon 13 Ausländerinnen) 29 1935 58 an Hotels u. Gasthöfe 
51 84 an Privatdienststellen 1936 
41 an Hotels u. Gasthöfe 30 69 an Privatdienststellen 10 Serviertöchter bei Anlässen 1937 68 an Hotels u. Gasthöfe 57 (7 in schweize- 74 an Privatdienststellen rische Fabriken) 1938 73 ins Inland 39 ins Ausland 
22 29 Ausländerinnen im Inland 
107) Bericht der Wirtschaftskammer, 1925, S. 13. 108) Unter direkter Arbeitssuche verstehe ich die Arbeitssuche ohne Zwischenstufe des Arbeitsamtes. Beispiel einer sehr direkten Arbeitssuche ist K.H., die ihren zukünftigen Arbeitgeber auf der Strasse um Arbeit fragte (Vgl.: S. 113). 109) S. 23. 110) Joris/Witzig, Frauengeschichte(n), S.5. 194f. 111) Joris/Witzig, Die ewigen Töchter, S. 362. LVolksblatt, 1934, Nr. 120, «Die Frauentagung». Dasselbe stellte Ulrike Ebenhoch für Österreich fest (S. 79). 112) Landtagsprotokoll 1926, Sitzung vom 22.12.1926, S. 3. LN. 1927, Nr. 54, S. 1. Dies ungeachtet der Tatsache, dass gerade bei Fabrikarbeiterinnen, vor allem in der Textilindustrie, der Anteil ver- heirateter Frauen grösser war als in den wenigen anderen von Frauen ausgeübten, ausserhäuslichen Berufen. So gibt K.H. an, dass von den Ringspinnerinnen ungefähr die Hälfte verheiratet waren (Vgl.. S. 113). Anteil verheirateter Frauen Bekleidungsgewerbe Textilindustrie Handel, Bank, Versicherungen Hauswirtsch., Pers. Dienste Weibl. Erwerbstätige 
zirka 4.3 Prozent zirka 18.5 Prozent zirka 16.9 Prozent zirka 2.5 Prozent zirka 7.1 Prozent (Eigene Berechnungen nach Volkszählung 1941, Tab. 19, S. 36f.). 113) Eine der führenden Vertreterinnen eines solchen Verständnis- ses der Fabrikarbeit war Ellen Key (Ellen Key, Missbrauchte Frauen- kraft, Berlin, 1900). In verschiedenen Zeitschriften der Schweiz und auch in den liechtensteinischen Zeitungen (Vgl. z.B.: LVolksblatt, 1927, Nr. 22. «Der Hirtenbrief unseres Bischofs») kommt ein solches Verständnis der Fabrikarbeit zum Ausdruck. Selbst in Schriften von progressiven Frauen, wie beispielsweise Margarita Gagg. finden sich solche Ansätze. Zur Einschätzung der Fabrikarbeit vgl. auch S. 59. 1141 LLA, 1929, SF Wirtschaftskammer, Nr. 567 / 1930. Nr. 503. 115) S. 29. Bochsler/Gisiger, S. 179f. und S. 186. Klar zum Ausdruck kommt dies auch in der vom LVolksblatt aufgenommenen schweizerischen Beilage «Für Familie und Haus», die dieser Entwicklung entgegenzu- wirken versucht. Die Fabrikarbeit wird als «falsche Verlockung» und als weniger gesund als der Dienstmädchenberuf bezeichnet: andere Artikel bedauern, dass das Dienen nicht mehr modern sei, und spre- chen sich für eine Aufwertung des Dienstmädchenberufes aus. (Vgl. z.B. LVolksblatt, 1934, Für Familie und Haus, Nr. 93. «Arbeite- rin oder Hausangestellte» LVolksblatt, 1938, Für Familie und Haus, Nr. 124, «Die Magd von ehedem und die Hausangestellte von heute»). 35
	        

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