Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1995) (93)

Die teils noch sehr jungen Dienst- und Küchenmäd- chen,74 seltener auch Köchinnen und Serviertöch- ter, kamen vorwiegend aus Österreich, insbeson- dere aus dem angrenzenden Vorarlberg. Sie inter- essierten sich für eine Arbeit im relativ armen Liechtenstein vor allem wegen der Schweizer Wäh- rung. Erst 1938, als sich die wirtschaftliche Lage in Österreich besserte und die im Ausland arbeiten- den Deutschen und Österreicherinnen unter An- drohung des Passentzuges «heim ins Reich» zu- rückgerufen wurden,75 ging die Zahl der in Liech- tenstein arbeitenden österreichischen Dienstmäd- chen und Knechte stark zurück.76 Das fehlende Angebot auf dem inländischen Dienstboten-Arbeitsmarkt setzte also einer vom Ar- beitsamt befürworteten und von der breiten Öffent- lichkeit getragenen, restriktiven Ausländerpolitik77 Grenzen. Einzig 1932 und 1934/35 ging nach den Statistiken in den Rechenschaftsberichten die Zahl der Einreisebewilligungen merklich zurück.78 Für Serviertöchter sah die Lage anders aus. Hier zeitigte die restriktive Ausländerpolitik Wirkungen. Während anfangs der dreissiger Jahre in den Re- chenschaftsberichten noch darauf hingewiesen wurde, dass es erwünscht sei, ausländisches Per- sonal im Gastgewerbe durch inländisches zu erset- zen, schien das «Angebot an Inländerinnen» Mitte der dreissiger Jahre so gross gewesen zu sein, dass das Arbeitsamt beschloss, solange keine aus- ländischen Arbeitsgesuche zu bewilligen oder zu verlängern, bis alle «hiesigen Mädchen versorgt seien».79 Dies bestätigt auch das Interview mit Ottilie Walser. Auf die Frage, ob es 1935, als sie als Serviertochter zu arbeiten anfing, nicht sehr schwer war, in Liech- tenstein eine Stelle zu bekommen, antwortete Otti- lie Walser.: «Da war es schon besser. Die Österrei- cher haben nur in die Küche können. Die haben sonst keine Stelle bekommen.»80 Zum Leidwesen des Arbeitsamtes zeigten die Arbeitgeberinnen grosses Interesse an ausländi- schem Dienstpersonal.^ Primärer Grund für die Bevorzugung ausländi- schen Personals waren seine geringen Lohnforde- rungen. Dies kommt im Rechenschaftsbericht von 
1932 sehr deutlich zum Ausdruck: «Um unsere hie- sigen Bewerber bezüglich der Lohndrückerei durch Ausländer so gut als möglich zu schützen, wird das Arbeitsamt solchen Parteien, die angeben, sie be- kämen diesen oder jenen Dienstboten nur um aus- sergewöhnlich niederen Lohn, keinen Ausländer bewilligen, ebenso auch nicht, wenn ein Dienstge- ber dem hiesigen Arbeiter einen abnormal niedri- gen Lohn gibt oder anbietet.»82 Dieselbe Problematik bezeugt ein Schreiben von 1935 an das Wirteehepaar des Hotel «Schlüssle», in dem das Arbeitsamt betonte, es solle «beim Dienstbotengebrauch nicht ins Ausland geschaut werden, um eine Kraft zu bekommen, die unter dem dahier üblichen Lohn notgezwungen arbeiten muss».8:i Neben der Lohnfrage scheint noch ein anderer Grund für die Vorliebe der Arbeitgeberinnen für ausländisches Dienstpersonal eine Rolle gespielt zu haben: seine grössere Arbeitswilligkeit und An- spruchslosigkeit. Alois Kranz vom Alpenkurhaus «Sükka», der wegen Beschäftigung einer Auslän- derin ohne Bewilligung vom liechtensteinischen Sicherheitskorps vorgeladen wurde, gab zu seiner Entschuldigung zu Protokoll, dass er mit «hiesigen Arbeitskräften nicht bedient (sei), weil diese nicht bei jeder Arbeit zugreifen».84 Auch in der Schweiz war ausländisches Dienstper- sonal aus diesen Gründen sehr beliebt. Bochsler und Gisiger sehen einen Grund für die grössere Arbeitswilligkeit des ausländischen Personals dar- in, dass diesen immer mit dem «Bölimaa Fremden- polizei» gedroht werden konnte.85 Viele liechtensteinische Arbeitnehmerinnen aus dem Gastgewerbe und aus der Hauswirtschaft suchten in der Schweiz Arbeit. Bewerbungen für das schweizerische Gastgewerbe lagen darum dem Arbeitsamt im Verhältnis zu seinen Vermittlungs- möglichkeiten häufig im Überfluss vor.86 Diese Anziehungskraft der Schweiz hatte verschie- dene Gründe, rein wirtschaftliche und subjektiv- persönliche. Zuerst die im allgemeinen höheren Löhne in der Schweiz: Ottilie Walser verdiente an ihrer ersten Stelle als Dienst- und Küchenmädchen zuerst 50 30
	        

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