Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1995) (93)

ZWEI POLLENANALYSEN ANNA MERZ ET AL. den häufigen Rhein-Überschwemmungen, die in den oberen Schichten gleichzeitig mit der zuneh- menden Aufschüttung der Ebene seltener werden. Von grosser Wichtigkeit für die Geschichte der Be- siedlung sind die Getreidepollen (Cerealia), die zu- verlässige Hinweise auf menschliche Aktivitäten liefern. Weitere Hinweise bilden Pflanzen, die den Menschen begleiten, sogenannte Kulturzeiger. Es handelt sich um Unkräuter auf Äckern und in Sied- lungen sowie um Pflanzen auf Weiden; sie sind je- doch im Gegensatz zu Getreide nicht ausschliess- lich an den Menschen gebunden. Dazu zählen Plantago lanceolata (Spitzwegerich), Rumex (Amp- fer), Artemisia (Beifuss), Urticaceae (Brennessel) und Compositae tubuliflorae. In beiden Profilen wurden solche Hinweise gefunden. Dabei zeigt sich eine Zunahme des menschlichen Einflusses vom Neolithikum über die Bronzezeit zur Eisenzeit11. Der Getreideanbau setzt in Mitteleuropa mit dem frühen Neolithikum ein, das im Bodenseeraum be- reits im 6. Jahrtausend vor Christus beginnt12. Die Liechtensteiner Getreidepollen gehören den spär- lichen 
l4C-Daten nach nicht in diese frühe Phase. Sie datieren in ein bereits entwickelteres Neoli- thikum. Die ältesten neolithischen Funde des Fürstentums Liechtenstein stammen aus dem Mittelneolithikum, das heisst aus dem 5. Jahrtausend vor Christus. Es handelt sich dabei um Steingeräte von Eschen-Ma- lanser, um ein vereinzeltes Gefäss von Balzers-Gut- enberg und um Keramik und Beifunde von Schel- lenberg-Borscht und Schellenberg-Untere Burg13. Nach dem derzeitigen Forschungsstand gehörten die damaligen Bewohner zu den ersten Bauern im Rheintal. Ihre Landwirtschaft, die sie sicher betrie- ben, fand jedoch keinen Niederschlag in Form von Getreidepollen in den untersuchten Pollenprofilen. Weitere wichtige Siedlungen aus den übrigen, jün- geren Phasen des Neolithikums, in denen Getreide- pollen nachgewiesen sind, liegen auf dem Eschner- berg, so Schellenberg-Borscht und Gamprin-Lut- zengüetle. Zunehmende Hinweise auf menschliche Aktivitäten liefern die Pollenprofile während der Bronzezeit, aus der auch zahlreichere Fundstellen 
bekannt sind. Während der Frühbronzezeit waren Schellenberg-Borscht und Nendeln-Sägaweiher be- wohnt, dann folgten zur Mittel- und Spätbronzezeit Eschen-Malanser, Vaduz-Schloss, Eschen-Schnel- ler, Gamprin-Lutzengüetle und Schaan-Krüppel. Die meisten Aktivitäten zeigen die Pollendiagram- me aber zur Eisenzeit. Einige Fundstellen aus die- ser Zeit sind Eschen-Schneller, Gamprin-Lutzen- güetle und Schellenberg-Borscht. Gefolgt wird die prähistorische Zeit von der römischen Epoche mit dem Kastell in Schaan, dem Gutshof in Nendeln und den Fundstellen Gamprin-Lutzengüetlekopf und Schaan-Krüppel14, um die wichtigsten Fund- stellen des Landes zu nennen. Die im Fürstentum Liechtenstein bekannten Sied- lungen liegen alle auf Anhöhen, bevorzugt auf dem Eschnerberg. Aus der Rheinebene sind keine Sied- lungen bekannt; entweder hat es keine gegeben, oder die Überreste wurden weggeschwemmt. Hin- gegen gibt es Einzelfunde, die als Verluste oder De- ponierungen zu betrachten sind. Dazu gehören mehrere Nadeln aus der Bronzezeit, ein Armring sowie ein Bronzebeil der älteren Eisenzeit, das aus dem Ruggeller Riet geborgen wurdeis. Die Betrachtung soll mit dem Pollendiagramm vom Judenmahd begonnen werden. Der erste sicher nachweisbare menschliche Einfluss erfolgte wäh- cS) Vorgleiche Anmerkung 5. ')) Schreiber 1910. Line Umzeiclmung des von Schreiber aufgenom- menen Profiles findet sich bei Broggi 1990. 10) Eine kurze Notiz zu diesem Fund steht im JBL 91, 1991. S. 220; ein ausführlicherer Bericht ist in diesem Jahrbuch S. 271 ff. zu linden. 11) Neolithikum = Jungsteinzeit. 5500-2200 v.Chr. Bronzezeit 2200-750 v.Chr. Eisenzeit 750-15 v.Chr. 12) Die ersten Bauern, 1990. IM) Die genannten Fundstelleu werden in «Archäologie im Fürsten- tum Liechtenstein», helvetia archaeologica 1978, II. 34/36. vorge- stellt. Weiterführende Literatur findet sich ebenfalls dort. Demnächst wird eine ausführliche Arbeit von M. Maczynska zur Fundstelle Schellenberg-Borscht erscheinen. 14) Zur Literatur siehe Anmerkung 13. 15) Zur Literatur siehe Anmerkung 13. 267
	        

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