Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1995) (93)

Kreise der Familie das Haus zum geborgenen Heim, zum Zufluchtsort für Ehemann und Kinder mache.32 Diese Beilage wurde zwar in der Schweiz redigiert, doch der Umstand, dass sie vom Volks- blatt - gerade in dieser Zeit - aufgenommen wurde, spricht für sich. Die in der Beilage vertretene Ideo- logie spiegelte nämlich ebenso das liechtensteini- sche geschlechtsspezifische Rollenverständnis wi- der und fand dementsprechend positive Aufnahme. Ausdruck dieses auch hier herrschenden Verständ- nisses war zum Beispiel die liechtensteinische Lan- desausstellung von 1934. Im «Volksblatt» bemän- gelte ein Schreiber, dass für die Bauernschaft, das Gewerbe und andere Kreise fachliche Versamm- lungen und Vorträge organisiert wurden, Frauen jedoch im Programm der Landesschau nicht ge- bührend berücksichtigt worden seien: «Man fragt, warum den Frauen, deren Aufgabenkreis doch nicht kleiner ist als jener der Männer, keine ange- messene Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Auch für die Frauen gibt es reichhaltigen Stoff um beruf- liche Fragen, Hauswirtschaft, Gesundheitspflege, Erziehung der Kinder, Kleidung und Wohnungs- wesen u.v.a.m. in angenehmer und nützlicher Form zu behandeln.»33 Der tatsächlich organisierte Frauentag ging in die angeregte Richtung: Eine Referentin des katholischen Frauenbundes hielt einen Vortrag über land- und hauswirtschaftliche Frauenfragen, eine Ordensschwester über Erzie- hungsfragen. Erstere sprach von «Ehe, Mutter- schaft und Flaushalt» als «naturgegebenem Aufga- benkreis der Frau» und fügte bedauernd hinzu: «Wenn doch wieder mehr Mädchen sich bewusst würden, dass sie, auch vom religiösen Standpunkte aus, ein grösstes gutes Werk tun - vielleicht ein grösseres, weil unscheinbareres, als wenn sie ins Kloster träten - durch den aufopfernden Dienst in einer Familie, eigener oder fremder, bei einer Mut- ter, bei mutterlosen Kindern.»34 Auch in Nachrufen kam dieses Rollenverständnis zum Ausdruck. So hiess es in einem Nachruf von 1935 beispielsweise: «Voll Liebe und christlichem Opfersinn hat sie bis zum letzten Augenblick die nicht leichte Bürde einer Hausfrau und Mutter getragen.»35 
Die noch starke Einbettung der Frauen in die ländlich-patriarchalische Struktur Liechtensteins brachte es mit sich, dass das Schwergewicht auf der Einbindung der Frauen in den ihnen zugeord- neten häuslichen und landwirtschaftlichen Ar- beitsbereich lag. Im Unterschied dazu zielten die «ideologischen Anstrengungen» in der Schweiz auf eine Ein- und Rückbindung ab, und nicht die bäuerliche Hausfrau, sondern die bürgerliche «Nur- Hausfrau» und Mutter im eher städtischen Milieu stand im Vordergrund.35 Es ging in Liechtenstein also weniger darum, Frauen aus der ausserhäus- lichen Erwerbsarbeit zurückzubinden, als vielmehr um die Verfestigung der bestehenden Strukturen. Die Frauenerwerbsarbeit war denn auch im Ge- gensatz zur Schweiz kaum Thema öffentlicher Dis- kussionen. Dennoch sollte die Betonung der Be- stimmung der Frau sie wohl nicht nur an ihrem «traditionellen Platz» festschreiben, sondern ver- mutlich auch einer vermehrten und selbstbestimm- teren Frauenlohnarbeit in den Anfängen wehren. Einen Grundstein hierfür legte die zweijährige obli- gatorische Fortbildungsschule, die sich gemäss Lehrplan das Ziel setzte, «den Jungen oder das Mädchen für einen zu ergreifenden Beruf vorzube- reiten».37 Präzisiert für das weibliche Geschlecht bedeutete dies: «Unter Berücksichtigung des Ge- werblichen ist das Hauptgewicht auf Haushaltung und Landwirtschaftliches zu legen. Die Mädchen- fortbildungsschule soll mehr eine Haushaltungs- schule werden, um tüchtige Hausfrauen heranzu- bilden.»38 Wie dieses Ziel konkret erreicht werden sollte, verdeutlicht der Lehrplan für Berufs- und Lebenskunde von 1931: «Das gesunde Heim: gute Luft, Licht, Wärme Das freundliche Heim: Einrichtung, Ordnung, Rein- lichkeit, Blumenpflege Die Küche: ... Nahrungsmittellehre: ... Familie: Pflege des Familiensinnes. Die Mutter als Seele der Familie. Grundlagen des Familienglückes: Gottesfurcht, Ar- beitsamkeit, Gesundheit, Eltern- und Kindesliebe. Feinde des Familienglückes: Genussucht, Putzsucht und Sittenlosigkeit. 20
	        

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