Kreise der Familie das Haus zum geborgenen Heim, zum Zufluchtsort für Ehemann und Kinder mache.32 Diese Beilage wurde zwar in der Schweiz redigiert, doch der Umstand, dass sie vom Volks- blatt - gerade in dieser Zeit - aufgenommen wurde, spricht für sich. Die in der Beilage vertretene Ideo- logie spiegelte nämlich ebenso das liechtensteini- sche geschlechtsspezifische Rollenverständnis wi- der und fand dementsprechend positive Aufnahme. Ausdruck dieses auch hier herrschenden Verständ- nisses war zum Beispiel die liechtensteinische Lan- desausstellung von 1934. Im «Volksblatt» bemän- gelte ein Schreiber, dass für die Bauernschaft, das Gewerbe und andere Kreise fachliche Versamm- lungen und Vorträge organisiert wurden, Frauen jedoch im Programm der Landesschau nicht ge- bührend berücksichtigt worden seien: «Man fragt, warum den Frauen, deren Aufgabenkreis doch nicht kleiner ist als jener der Männer, keine ange- messene Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Auch für die Frauen gibt es reichhaltigen Stoff um beruf- liche Fragen, Hauswirtschaft, Gesundheitspflege, Erziehung der Kinder, Kleidung und Wohnungs- wesen u.v.a.m. in angenehmer und nützlicher Form zu behandeln.»33 Der tatsächlich organisierte Frauentag ging in die angeregte Richtung: Eine Referentin des katholischen Frauenbundes hielt einen Vortrag über land- und hauswirtschaftliche Frauenfragen, eine Ordensschwester über Erzie- hungsfragen. Erstere sprach von «Ehe, Mutter- schaft und Flaushalt» als «naturgegebenem Aufga- benkreis der Frau» und fügte bedauernd hinzu: «Wenn doch wieder mehr Mädchen sich bewusst würden, dass sie, auch vom religiösen Standpunkte aus, ein grösstes gutes Werk tun - vielleicht ein grösseres, weil unscheinbareres, als wenn sie ins Kloster träten - durch den aufopfernden Dienst in einer Familie, eigener oder fremder, bei einer Mut- ter, bei mutterlosen Kindern.»34 Auch in Nachrufen kam dieses Rollenverständnis zum Ausdruck. So hiess es in einem Nachruf von 1935 beispielsweise: «Voll Liebe und christlichem Opfersinn hat sie bis zum letzten Augenblick die nicht leichte Bürde einer Hausfrau und Mutter getragen.»35
Die noch starke Einbettung der Frauen in die ländlich-patriarchalische Struktur Liechtensteins brachte es mit sich, dass das Schwergewicht auf der Einbindung der Frauen in den ihnen zugeord- neten häuslichen und landwirtschaftlichen Ar- beitsbereich lag. Im Unterschied dazu zielten die «ideologischen Anstrengungen» in der Schweiz auf eine Ein- und Rückbindung ab, und nicht die bäuerliche Hausfrau, sondern die bürgerliche «Nur- Hausfrau» und Mutter im eher städtischen Milieu stand im Vordergrund.35 Es ging in Liechtenstein also weniger darum, Frauen aus der ausserhäus- lichen Erwerbsarbeit zurückzubinden, als vielmehr um die Verfestigung der bestehenden Strukturen. Die Frauenerwerbsarbeit war denn auch im Ge- gensatz zur Schweiz kaum Thema öffentlicher Dis- kussionen. Dennoch sollte die Betonung der Be- stimmung der Frau sie wohl nicht nur an ihrem «traditionellen Platz» festschreiben, sondern ver- mutlich auch einer vermehrten und selbstbestimm- teren Frauenlohnarbeit in den Anfängen wehren. Einen Grundstein hierfür legte die zweijährige obli- gatorische Fortbildungsschule, die sich gemäss Lehrplan das Ziel setzte, «den Jungen oder das Mädchen für einen zu ergreifenden Beruf vorzube- reiten».37 Präzisiert für das weibliche Geschlecht bedeutete dies: «Unter Berücksichtigung des Ge- werblichen ist das Hauptgewicht auf Haushaltung und Landwirtschaftliches zu legen. Die Mädchen- fortbildungsschule soll mehr eine Haushaltungs- schule werden, um tüchtige Hausfrauen heranzu- bilden.»38 Wie dieses Ziel konkret erreicht werden sollte, verdeutlicht der Lehrplan für Berufs- und Lebenskunde von 1931: «Das gesunde Heim: gute Luft, Licht, Wärme Das freundliche Heim: Einrichtung, Ordnung, Rein- lichkeit, Blumenpflege Die Küche: ... Nahrungsmittellehre: ... Familie: Pflege des Familiensinnes. Die Mutter als Seele der Familie. Grundlagen des Familienglückes: Gottesfurcht, Ar- beitsamkeit, Gesundheit, Eltern- und Kindesliebe. Feinde des Familienglückes: Genussucht, Putzsucht und Sittenlosigkeit. 20