Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1995) (93)

DER 7. NOVEMBER 1918 RUPERT QUADERER-VOGT DAS 9-PUIMKTE-PROGRAMM Der von Wien angekündigte Vermittler traf in der Person von Prinz Karl am 6. Dezember in Liechten- stein ein. Am 7. Dezember wurde Martin Ritter laut der «Oberrheinischen Nachrichten» von der Mehr- heit der Landtagsabgeordneten «geopfert». Die «Oberrheinischen Nachrichten» verlangten dafür als Gegenopfer, dass die beiden fürstlichen Ober- länder Abgeordneten Schädler und Büchel von der politischen Bildfläche verschwinden müssten. Die- se seien im Oberland jedenfalls noch weniger be- liebt als Ritter im Unterland.100 Am 10. Dezember wurde das Ergebnis der Verhandlungen in einem 9-Punkte-Programm festgehalten. Darin waren we- sentliche Zugeständnisse bezüglich der Ausweitung der Volksrechte enthalten und somit der Boden für weitere Verhandlungen geebnet. Das 9-Punkte-Programm enthielt folgende Forde- rungen:101 1. Die Regierung besteht aus dem vom Landesfür- sten im Einvernehmen mit dem Landtag ernann- ten Landesverweser und zwei vom Landtag zu wählenden Regierungsräten. 2. Die Regierungsräte sind zu allen wichtigen Ge- schäften beizuziehen, mindestens aber alle 14 Tage zu einer Sitzung einzuladen. 3. Der Landtag hat gegenüber einem Regierungs- mitglied das Recht des Misstrauensantrags an den Landesfürsten. 4. Beamte sollen die liechtensteinische Staatsbür- gerschaft besitzen. Der Landesverweser soll in erster Linie ein Liechtensteiner sein. 5. Der Landtagswahlmodus soll beibehalten wer- den. Die drei vom Fürsten zu ernennenden Abgeordneten sollen durch kollegialen Regie- rungsbeschluss dem Landesfürsten in Vorschlag gebracht werden. 6. Die Landtagssitzungen sollen nach Bedarf, min- destens aber im Frühjahr und im Herbst, einbe- rufen werden. 7. Sämtliche politischen und gerichtlichen Instan- zen, mit Ausnahme des Obersten Gerichtshofes, sind in das Land zu verlegen. 
8. Die grundsätzlichen Bestimmungen des freien Vereins- und Versammlungsrechts sind in die Verfassung aufzunehmen. 9. Das Wahlfähigkeits- und Grossjährigskeitsalter soll auf 21 Jahre herabgesetzt werden. Der Landesfürst erteilte am 13. Dezember diesen Landtagsbeschlüssen seine Zustimmung. Er be- stellte auf Wunsch des Landtags Prinz Karl bis auf weiteres zum Landesverweser und ordnete an, der Landtag solle die Wahl der beiden anderen Regie- rungsmitglieder vornehmen. Als Regierungsräte wurden am 17. Dezember Josef Marxer, Eschen, und Wilhelm Beck, Triesenberg (dieser erst im fünf- ten Wahlgang), gewählt. Prinz Karl wurde am 22. Dezember vom zurückge- tretenen Landesverweser von Imhof vereidigt. 92) LVolksblatt 49/1918. 6. Dezember 1918. 93) ON 49/1918. 30. November 1918. Ein Aufruf fordert das Volk auf zu zeigen, dass es eine Regierungs- und Verfassungsänderung wolle: «Wähler, erscheint in Massen, behaltet aber Ruhe.» 94) LVolksblatt 49/1918. 6. Dezember 1918. 95) ON 50/1918, 7. Dezember 1918. 96) ON 51/1918. 14. Dezember 1918. 97) LVolksblatt 49/1918, 6. Dezember 1918. 98) Ebenda. 99) Ebenda. 100) ON 51/1918, 14. Dezember 1918. Laut «Volksblatt» vom 17. De- zember 1918, Nr. 51. hatte Kanonikus Büchel seine Abwesenheit von der Landtagssitzung damit begründet, dass er am Abend vor der Sit- zung gewarnt worden war, «dass gegen ihn persönliche Insulte zu erwarten seien». Albert Schädler demissionierte am 30. März 1919; Johann Baptist Büchel wurde auf sein Ansuchen hin am 8. März 1920 vom Fürsten von seiner Funktion als fürstlicher Abgeordneter enthoben. 101) LLA SF Präsidialakten 1.8/1918/44. 10. Dezember 1918. Landtagspräsident Albert Schädler an Prinz Karl. 211
	        

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