Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1995) (93)

DER 7. NOVEMBER 1918 RUPERT QUADERER-VOGT NACHBEBEN: DEB 2. DEZEMBEB Das angeheizte und gereizte politische Klima im Land manifestierte sich auf verschiedene Weise. Als der Vaduzer Vorsteher Unterschriften für eine Huldigungsadresse an den Fürsten zu sammeln be- gann, wurde in Balzers dazu bemerkt, es sei ge- scheiter, keine Unterschriften mehr zu sammeln, «das gebe nur Revolution, es seien in Balzers bereits 60 Gewehre hergerichtet». Ein anderer «Anhänger der Volkspartei» meinte, es wäre bes- ser, die Gegner hörten mit dem Stimmensammeln auf, «sonst könnte es geschehen, dass sie eines Morgens keine Scheiben mehr in ihrem LIause hätten.»85 Der Widerstand gegen die Ergebnisse des 7. No- vember setzte sich auch in den Beiträgen im «Volksblatt» fort. Man sprach darin dem Landtag das Recht ab, die gesetzgebende Funktion noch ausüben zu dürfen, da nach dem Rücktritt der drei fürstlichen Abgeordneten nur noch ein «Rumpfpar- lament» bestehe, das z. T. in Geheimsitzungen und ohne Traktandenliste tage.86 Einen letzten kritischen Moment bildete die soge- nannte «Vorbesprechung des Landtages» am 2. De- zember 1918.87 Es war vorgesehen, zum Erlass vom 23. November (Imhof als provisorischer Lan- desverweser) Stellung zu nehmen und eine Adresse an den Fürsten zu verfassen. Vorgängig war im kleinen Sitzungssaal eine «Vorbesprechung» ange- setzt worden, an der alle Volksabgeordneten, mit Ausnahme der später erschienenen Peter Büchel und Karl Kaiser sowie der Vorsitzende des Voll- zugsausschusses teilnahmen. Nach Aussage Martin Ritters sprach sich der Landtag gegen die Übernah- me der provisorischen Amtsführung durch Imhof aus. Ritter behauptete, der Fürst sei irrig infor- miert worden, und die getroffene Neuordnung ent- spreche nicht dem Mehrheitswillen des Volkes. Ritter strebte eine Auflösung des Landtags durch den Fürsten an, um durch Neuwahlen dem Volk Gelegenheit zu geben, seinen Willen kundzutun. Er deutete auch unmissverständlich an, dass ein Übergehen des Vollzugsausschusses die Leute dazu bringen könnte, zur Selbsthilfe zu greifen.88 
In dieser aufgewühlten Stimmung fand die Vorbe- sprechung vom 2. Dezember statt. Die Abgeordne- ten Peter Büchel und Karl Kaiser, welche später dazukamen, teilten mit, dass vom Unterland her einige hundert Mann anmarschierten.8'' Vom Ober- land waren nach Aussage Ritters etwa gleichviel Männer anwesend. Da die Männer z.T. mit Schuss- waffen versehen waren, wurden schwere Ruhestö- rungen befürchtet. Eine Landtagssitzung - immer nach Martin Ritter - hätte vielleicht sogar zu bluti- gen Zusammenstössen führen können, und es hätte leicht Verletzte, wenn nicht Tote geben können. Aus diesem Grund wurde beschlossen, die Landtagssit- zung nicht abzuhalten und die Ankunft des «an- gekündigten Prinzen Liechtenstein» abzuwarten.90 So ging die Versammlung nach Aussage Ritters ohne Ausschreitungen wieder auseinander. Ledig- lich Agent David Bühler von Mauren wurde «eini- germassen, jedoch nicht erheblich traktiert, als er mit gegnerischen Oberländern anbinden wollte».91 Etwas anders lautete die Erzählung des gleichen Sachverhalts in den Berichten des «Volksblattes». 77) LLA N2, 23. November 1918, Erlass an Vollzugsausschuss (Abschrift). 78) Ebenda. 79) Ebenda. 80) LLA N2 Ritter an Imhof, 28. November 1918. 81) Ebenda. 82) Ebenda. 83) LLA N2, 28. November 1918, Imhof an Fürst (Telegramm). 84) LVolksblatt 48/1918, 29. November 1918. 85) LLA, Gerichtsakten, Strafsachen S 46/47 (1919), 18. März 1920, «Sachverhaltsdarstellung». 86) LVolksblatt 49/1918, 6. Dezember 1918. 87) LLA N2, 3. Dezember 1918. Bericht über die Vorbesprechung des Landtags vom 2. Dezember 1918; verfasst von Martin Ritter, erhalten in einer Abschrift von Ida von Imhof. 88) Ebenda. 89) Ebenda. 90) Ebenda. 91) Ebenda. 209
	        

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