Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1995) (93)

FRAUENARBEIT IN LIECHTENSTEIN 1924 BIS 1939 ANHANG / INTERVIEWS / CLAUDIA HEEB-FLECK Ich hatte immer Kopfweh, wenn ich drinnen arbeiten musste. Schon in der Schule! Ein Doktor hat einmal zu mir gesagt, dass ich halt eine Arbeit haben sollte, wo ich in der freien Luft sein könne. Meine Schwester ist dann gegangen. Sie ist mit Freude gegangen. Ich bin halt lieber daheim gewesen, ich habe lieber alles getan, als einge- sperrt zu sein! Später wollte ich an die Stelle, an der erst Anna und dann auch die jüngere Schwester war. Der Chef hatte mich gefragt, ob ich zu ihnen kommen würde, wenn meine Schwester einmal gehe. Ich habe es voller Freude daheim erzählt. Ich habe meinen Vater nie weinen sehen, aber da sind ihm die Tränen gekommen. Er sagte, mein Gott, mein Knecht geht fort, tue mir nur das nicht an! Da konnte ich nicht mehr fort. Es wäre eine gute Stelle gewe- sen! Aber ich habe es nicht fertig gebracht. Wenn meine Mutter noch gelebt hätte, hätte ich es bestimmt durchge- setzt, aber so nicht. F: Was verdiente Ihre Schwester? A: 60 oder 65 Franken. Das war viel damals! F: Situation in den dreissiger Jahren in der Landwirt- schaft? A: Es hat alles zusammen nichts gegolten. Das weiss ich noch! Rossbeschlagen und das alles war teuer und Geld hat man nicht viel gehabt. Man hat nichts zuviel gehabt! Man versuchte halt, Eier, Kabis und Bohnen zu verkaufen. Bei allem musste man schauen, dass man es irgendwie fortbrachte. Da hat man wieder Poulets verkauft - an einen Gasthof oder so. Man hätte sie auch lieber selber gegessen! Damit man wieder ein paar Franken gehabt hat, man musste schon knapp durch! F: War es schwer für die Landwirtschaft Arbeitskräfte zu bekommen? A: Knechte und Dienstmädchen hat man ohne Probleme bekommen. Aber die sind alle aus Österreich gewesen. Dort drunten muss es noch schlechter gewesen sein. Um wenig Lohn sind viele als Dienstmädchen zu uns gekom- men. F.- Und Liechtensteinerinnen? A: Die gingen als Dienstmädchen in die Schweiz und halt auch in die Fabrik, in die Spoerry-Fabrik. F: Wo gingen die jungen Männer arbeiten? A: Viele haben auf dem Hof gearbeitet - eben, weil man alles von Hand machen musste, hat es halt viel Leute ge- braucht. Und auf den Bau zum Handlangen, schon mit 15 oder 16 Jahren. Zu meiner Zeit sind dann alle in die Ramco Fabrik gegangen. Ja, halt alle Mädchen, die man auf dem Hof entbehren konnte. Und am Anfang auch Bur- schen! F: Wie sah der Arbeitsalltag im landwirtschaftlichen Be- trieb aus? A: Früher mussten wir mit Kühen auf dem Feld Furchen ziehen. Später haben wir dann Pferde gekauft. Dann mussten wir das Pferd halten und mit dem Pferd pflügen. Im Sommer mussten wir «falgen». Das war ein spezieller 
Pflug mit dem man durchs Unkraut gefahren ist. Wir mussten alles von Hand mit der Haue jäten. Später hat man dann «Schorer» [Scharreisen] gehabt, dann ging es schneller. Beim Heuen musste man auch alles von Hand machen. Wir mussten schon als Kinder ganze Felder mit dem Rechen kehren. Wenn der Vater gemäht hatte, muss- ten wir mit der Gabel das Gras auseinanderwerfen und am Nachmittag musste man es mit dem Rechen kehren. Am Abend mussten wir es «mädlen» und wenn man sah, dass das Wetter schlecht wurde, machten wir «Högerle». Am nächsten Tag mussten wir es «zetten», also wieder auseinanderwerfen. Früher hatte man keine Heubelüf- tung. Da brauchte man drei l'age bis man das Heu mit heimnehmen konnte. Dann mussten wir wieder alles von Hand zusammennehmen, «Bieten machen» hat man ge- sagt. Der Vater hat das Heu von den «Bieten» weg mit der Gabel auf den Wagen hochgegeben und wir mussten mit einem grossen, breiten Rechen immer wieder alles nach- rechen. F: Haben alle geheut? A: Ja, da mussten alle mit. Die Männer waren stärker - die mussten das Heu auf den Wagen hochgabeln. Mei- stens musste eine Frau Heu laden und die anderen muss- ten nachrechen und zusammenräumen, was man verlo- ren hat. Und jemand musste «Bremen wehren». Das hat niemand gern gemacht! Man musste sie mit einem Zweig vertreiben. Und jemand musste immer das Ross halten und wieder weiterführen, wenn aufgeladen war. Zuletzt musste man einen dicken «Wis-Baum» darauftun und ein dickes Seil und binden. «Fliegen wehren» mussten mei- stens Kinder. Später hat man dann einen Rauchkessel ge- habt mit Löchern an den Seiten. In den Kessel hat man meistens alte Schuhe und Holz getan und das hat man an- gezündet. Den Kessel hat man vorne an die Deichsel ge- hängt, dem Pferd an den Kopf und dann ist der Rauch nach hinten gegangen. Aber das war halt gefährlicher, wir haben das nicht gerne gemacht. F: Wie sah ein normaler Tagesablauf in Ihrer Jugendzeit aus? A: Am Morgen mussten wir in die Schule. Dazumal hatte man im Sommer immer schon um halb zehn Uhr Schule aus. Dann war in der Waschküche eine Schiefertafel, auf die mein Vater geschrieben hat. wohin wir nach der Schu- le mussten. Und Brot und manchmal ein Stück Käse ist dort für uns gelegen. Dann mussten wir zum Erbsen-Ab- nehmen oder zum Jäten - es ist einfach gestanden, auf welches Feld wir kommen sollten oder so. Bis zum Mittag mussten wir also aufs Feld. Meine Mutter kochte. Am Nachmittag, wenn wir nicht in die Schule mussten - im Sommer war frei -, mussten wir wieder aufs Feld. F: In den Stall mussten Sie nicht? A: Doch. Melken und alles. Wissen Sie, wir haben keine Buben gehabt. Sonst war es so, dass bei denen, die Buben hatten, die Buben in den Stall mussten und die Mädchen 131
	        

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