Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1994) (92)

VERWALTUNGSSTRUKTUR UND VERWALTUNGSREFORMEN BEAMTENVERHÄLTNIS / PAUL VOGT darum bewarben: 1831 bat Joseph Anton Rhein- berger als unbezahlter Praktikant eingestellt zu werden, um bei einer späteren Beamtenverände- rung berücksichtigt zu werden. Rheinberger war der Sohn eines angesehenen Wirtes, hatte ein juri- stisches Studium absolviert und konnte auf einen einwandfreien sittlichen Lebenswandel hinweisen.3 Landvogt Pokorny nahm zu dieser Bewerbung kei- ne Stellung, meinte aber in seinem Begleitschrei- ben an die Hofkanzlei, dass Rheinberger vorläufig höchstens an Gerichtstagen beim Oberamt beschäf- tigt werden sollte, damit das Oberamt an den übri- gen Tagen ungestört Beratungen vornehmen kön- ne.4 Die Llofkanzlei wies die Bewerbung Rheinber- gers mit der Begründung ab, dass er nicht an einer österreichischen Universität studiert habe. Sie machte aber auch gleich klar, dass sich Rheinber- ger auch dann kaum Chancen ausrechnen konnte, wenn er die österreichischen Prüfungen ablegen sollte.5 1844 bewarb sich Andreas Falk um eine freigewor- dene Kanzlistenstelle. Falk hatte das Gymnasium in Disentis und die polytechnische Schule in Mün- chen besucht, war also ausreichend qualifiziert. Falk wurde ebenfalls abgewiesen.6 Die Ausschrei- tungen von 1848 gegen die verhassten ausländi- schen Beamten bewirkten dann, dass qualifizierte Liechtensteiner bei der Wiederbesetzung frei ge- wordener Beamtenstellen berücksichtigt wurden. Als sich Landesverweser Menzinger 1850 über den Mangel an Schreibern beklagte, wurde er angewie- sen, solche aus der einheimischen Bevölkerung an- zustellen.7 1854 wurden David Rheinberger und 1856 (der 1844 abgelehnte) Andreas Falk als Kanz- listen angestellt. Die beiden Beispiele belegen, dass nicht die Qualifikation, sondern das Treueverhält- nis bei Anstellungen im Vordergrund stand. Für die fürstlichen Beamten bis zum Rang des Rentmeisters wurden keine besonderen fachlichen Qualifikationen verlangt. Was bei ihnen vor allem zählte, waren praktische Erfahrung und die Dienst- zeit. Aus den Bestimmungen in der Hauptinstruk- tion von 1838 und aus einem Vergleich der Lauf- bahnen der nach Vaduz versetzten Beamten lässt sich folgender typische Ausbildungsgang für die 
fürstlichen Beamten herausschälen: Die Aufnahme in den fürstlichen Dienst erfolgte zunächst als «Praktikant». Dazu waren folgende Voraussetzun- gen notwendig: Neben der Volksschule musste der Bewerber die «sechs Grammatikal- und Humani- tätsklassen mit gutem Erfolg absolvirt»8 haben, er musste also eine gute Allgemeinbildung vorweisen können, die etwa dem Besuch eines Gymnasiums entsprach. Allerdings wurden hier auch Ausnah- men gemacht. Das Mindestalter für einen Prakti- kanten betrug 16 Jahre. Der zukünftige Beamte musste sich mit einem eigenhändig geschriebenen Gesuch um die Verleihung einer Praktikantenstelle bewerben, wobei er auch verschiedene Studien-, Gesundheits- und «Wohlverhaltensausweise» vor- zulegen hatte. Überdies mussten seine Angehöri- gen in einem «Sustentations-Revers» erklären, dass sie bereit waren, für seinen Unterhalt wäh- rend der Praktikantenzeit aufzukommen. Besonde- res Gewicht wurde darauf gelegt, dass die Prakti- kanten die böhmische Sprache in Wort und Schrift erlernten.9 Eine Praktikantenstelle dauerte oft mehrere Jahre. Der Praktikant erhielt zwar Unter- kunft und Verpflegung, aber kein Gehalt. Nach eini- gen Jahren konnte sich ein Praktikant um ein 1) Geiger, S. 359. 2) OA an I.andesgeistlichkeit am 15. Juni 1836. LLA RC 53/5. 3) Joseph Anton Rheinberger wurde 1801 geboren und starb am 4. Dezember 1846. Er war der Sohn des Löwenwirts Rheinberger. Er besuchte das Gymnasium in Feldkirch (bis 1819), studierte Philoso- phie (bis 1823) und anschliessend Rechtswissenschaft (während sieben Semestern von 1826 bis 1829). Bewerbungsschreiben vom 11. Juli 1831. LLA RC 36/21. 1831 bat er um die Verleihung einer Beamtenstelle. 1842 bat er um die Zulassung als «Landadvokat», d.h. darum, Parteien in Streitsachen vertreten zu dürfen. Er erhielt aber nur die Erlaubnis, als «Privatagent» tätig zu werden, d.h. er durfte nur Parteigesuche und Verträge abfassen und für ausländi- sche Gläubiger Geld einziehen. Menzinger an Fürst am 2. September 1842 und HK an OA am 10. November 1842. LLA RC 36/21. 4) Pokorny an Fürst am 4. August 1831. LLA RC 36/21. 5) HK an OA am 26. August 1831, LLA RC 36/21. 6) HK an OA am 25. 2. 1844. LLA RC 73/2. - Vgl. auch Anhang I. 7) HK an RA am 13. 8. 1850, LLA RC 99/1. 8) Hauptinstruktion von 1838, § 146. 9) ebda. § 146. 71
	        

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