Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1994) (92)

Dieser Kompromiss wurde sowohl aus der Sicht der Untertanen als auch aus der Sicht der Landes- herrschaft als ein vorläufiges Ergebnis gewertet. Hofften die Untertanen, die alten Rechte eines Ta- ges zurückzugewinnen,13 so war die Landesherr- schaft weiterhin gesonnen, die Gerichte bei einer passenden Gelegenheit völlig zu beseitigen. In der Dienstinstruktion von 1748 heisst es, dass es im Moment nicht rätlich erscheine, den Landammann durch einen vom Fürsten ernannten Steuerkassier zu ersetzen und die Untertanen so von aller Gewalt und Einsicht zu entsetzen. «So wollen Wir Unss einsweils, und mit Vorbehalt des weitheren begnü- gen, wann durch beede Land-Ammäner über die jährlich umlegende Anlaags-Gelder eine ordent- liche Rechnung geführt, solche dem Ober-Ambt zur Abhör vorgelegt, und mit dessen zu Thun die Man- schaft zu Pferd und Fuss angeworben, und wieder abgedankt wird.»14 Die Richter nahmen im 18. Jahrhundert weiterhin Aufgaben im Polizeiwesen, wo sie etwa Frevel be- strafen durften, und im Vormundschaftswesen wahr. Eine wichtige Kompetenz bestand darin, dass sie Einblick in die landschaftlichen Rechnun- gen erhielten, die der Landammann am Ende sei- ner Amtszeit zu legen hatte. Durch die Dienstinstruktion von 1808 wurden die Gerichte unter Berufung auf die Beseitigung der «vormaligen Reichsverfassung» und den «Geist des dermaligen Zeitalters»15 endgültig aufgehoben Zweifellos wurde mit dieser Reform die Absicht verfolgt, den landesfürstlichen Absolutismus zu vollenden und jede Einflussnahme der Untertanen auf die Staatsverwaltung zu verhindern. Auch hier lässt sich wieder der österreichische Einfluss fest- stellen: Unter Joseph II. war die ständische Verwal- tung weitgehend verstaatlicht worden. So war etwa auch das ständische Steueramt mit der Kameral- kasse vereinigt worden16 - eine Reform, die in Liechtenstein durch die Steuerverordnung von 1807 nachvollzogen werden sollte. Landvogt Schuppler hielt es aber offenbar für rät- lich, den Untertanen Einsicht in die Landesrech- nung zu geben, um so den Steuerwiderstand der Untertanen zu vermindern. Schuppler hielt sich da-bei 
an den Wortlaut der Steuerverordnung von 1807, die ausdrücklich festhielt, dass den Landam- männern Einsicht in die «wirkliche Verwendung» der Steuergelder gegeben werden solle, die allein zur Deckung der Kosten der Landesverwaltung verwendet werden durften.17 Aufgrund dieser Ver- ordnung lud Schuppler von 1811 bis 1817 jährlich anstelle der Landammänner die Gemeindevorste- her zum Oberamt ein, legte ihnen die Landesrech- nung vor und liess sie das Steuerprotokoll unter- schreiben.18 Die landständische Verfassung von 1818 schränkte die Rechte der Untertanen noch weiter ein, da sie ihnen das Recht zur Einsichtnahme in die «wirk- liche Verwendung» der Steuergelder nicht mehr zugestand. Die Verfassung von 1818 schuf die Ein- richtung eines ständischen Landtages nach öster- reichischem Muster. Die Geistlichkeit und die Land- mannschaft bildeten die beiden Landstände. Die Geistlichkeit konnte drei Abgeordnete auf Lebens- zeit wählen, die durch das Oberamt bestätigt wer- den mussten. Die Landmannschaft (also die Unter- tanen) wurden durch die jeweiligen Vorsteher und Säckelmeister der Gemeinden vertreten. Die Vor- steher wurden nach folgendem Verfahren ausge- wählt: Die Gemeinden unterbreiteten dem Oberamt einen Dreiervorschlag, aus dem dieses einen Vor- steher bestimmte.19 Das Recht zur Landstandschaft hatten auch Untertanen, die über 2000 Gulden zu versteuern hatten. Diese Bestimmung erlaubte es dem Haus Österreich, das im Fürstentum grund- herrlichen Besitz hatte, einen Vertreter in den Landtag zu schicken. Das Oberamt war berechtigt, einem Landstandsberechtigten die Teilnahme am Landtag zu verweigern, wobei es lediglich die Gründe dafür dem Fürsten mitteilen musste. Der Landtag trat jährlich einmal zusammen. Die Stände durften sich nur versammeln, wenn sie vom Landvogt, der bei den Sitzungen den Vorsitz führte, der die Sitzungen eröffnete und auch schloss, ein- geladen wurden. Die Kompetenzen der Landstände waren eng umgrenzt: Sie hatten dem Steuerpostu- lat «dankbar» zuzustimmen und durften lediglich beraten, wie die postulierte Steuer eingebracht 54
	        

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