Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1994) (92)

GUSTAV RITTER VON NEUMANN FLORIN FRICK CANISIUS-KIRCHE ZUM GÖTTLICHEN HEILAND, LUSTKANDLGASSE 34, WIEN IX, 1899 BIS 1903 Renate Wagner-Rieger sieht in der Canisius-Kirche ein «Werk Gustav von Neumanns..., der aus der Schmidt-Schule kam und sich durch Verbindung neuromanischer mit secessionistischen Formen auszeichnet. Die in die Strassenfront eingespannte Fassade hat zwei mächtige, rechteckige Fassaden- türme. Die Chorpartie folgt aussen einem Ideal- typus des romanischen Bauens mit Querhaus und Vierungsturm, seitlichen Apsiden mit Zwerggalerie und mächtigem Chorumgang, von dem aus Strebe- pfeiler die halbrunde Apsis abstützen. Dieser ganze Teil ist in Steinbau und sehr hoch, da er auf eine Unterkirche unter Chor und Querschiff Rücksicht nimmt. Mit diesem Aufwand an Differenzierung des Aussenbaues steht der Innenraum in scharfem Kontrast. Das Mittelschiff ist ausserordentlich weit und wird von flachen Seitenkapellen begleitet; dar- über ist eine unpraktikable Triforiumszone mit Ar- katuren und der Lichtgaden. Der Vierungsturm kommt innen nicht zur Geltung, doch wirken die Apsiden der Querhausarme mit der Hauptapsis als Trikonchos. Auch der Chorumgang tritt innen nicht in Erscheinung. Die Farbigkeit ist sehr hell, auf Weiss und Gold gestellt.»96 Neumann hat dagegen strenge Treue am Aussenraum angestrebt. Wesentlich beeindruckter äussert sich Höss über das Bauwerk: «Die Canisius-Kirche, in den Jahren 1899 bis 1903 im rheinischen Übergangsstil er- baut, zeigt die grosse Kunst des hervorragenden Architekten im besten Lichte; denn es gelang ihm, die grossen Schwierigkeiten, welche in der verhält- nismässig ungünstigen Stelle und dem beschränk- ten Bauplatze lagen, mit grossem Geschick zu überwinden und einen vielgegliederten, monumen- talen Hochbau zu schaffen, der von allen Seiten einen malerischen Anblick darbietet. Der grosse Niveau-Unterschied zwischen Hauptfassade und Chorschluss wurde durch Anlage einer interessan- ten Krypta ausgeglichen. Sehr schön repräsentiert sich die Stirnseite der Kirche mit der mit reichem Masswerk versehenen, grossen Rosette und den 
Canisius-Kirche zum Göttlichen Heiland, An- sicht Westwerk beiden hohen, schlanken Türmen. Der Innenraum wirkt durch die grossen Dimensionen, die schönen Verhältnisse und die abwechslungsreiche Gliede- rung überraschend. Zur grössten Zierde gereichen demselben ferner der prachtvoll aufgebaute Hoch- altar, die schönen Altarbilder und die mit figuralen und ornamentalen Glasmalereien geschmückten Fenster.»97 Ein zeitgenössischer Bericht zu diesem Bauvorha- ben findet sich in der Zeitschrift «Der Bautechni- ker»: «Die Aufgabe, auf dem gegebenen Bauplatze, welcher von allen Seiten durch Zinshäuser einge- engt wird und wo überdies das Terrain von der Lustkandlgasse ab noch 5 m abfällt, einen Monu- mentalbau zu errichten, war die denkbar schwie- rigste. Der ausführende Künstler, der Architekt Sr. Durchlaucht des reg. Fürsten von und zu Liechten- stein, Gustav Ritter von Neumann, hat diese schwierige Aufgabe glänzend gelöst. Mit grosser Geschicklichkeit sind die wenigen, durch die Ört- lichkeit sich bietenden Durchblicke in perspektivi- scher und architektonischer Hinsicht ausgenutzt, um den Bau malerisch zur Wirkung zu bringen. 96) Wagner-Rieger, S. 241f. 97) Höss, S. 275. 329
	        

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