Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1994) (92)

Versöhnung der Antike und der mittelalterlichen Baukunst einen wichtigen Programmpunkt».64 «Von den zeitlich vor- und nachher gelegenen Stil- phasen hebt sich der romantische Historismus durch seine Farbigkeit sehr deutlich ab.» Es «setz- te sich nun eine Polychromie durch, die mit kräfti- gen, kontrastreichen, allerdings eher stumpfen Farben arbeitet, obwohl die Farbtemperatur hell ist. Das Kolorit verzichtet auf eine leuchtende Wir- kung, die Oberfläche ist matt und glanzlos, auch wenn Gold und Silber verwendet wird. Im nachfol- genden strengen Historismus werden an die Stelle dieser Buntheit gedämpfte Tonigkeit und abge- stimmte Farbwerte treten, während gleichzeitig der Helligkeitsgrad sinkt. Ein vereinheitlichender <Galerieton> wird das harte Nebeneinander ver- drängen.»65 Die eingesetzte Erneuerung des Katholizismus führte zu einer Belebung des Kirchenbaus. «Mittel- alterliche Formen schienen dafür besonders geeig- net. In Weiterführung des kubischen Stiles interes- sierte man sich vor allem für die Romanik»,66 der Begriff umfasste auch die byzantinische und früh- christliche Architektur. «Die gleichen Stilphänomene (wie im kubischen Stil, Anm. d. Verf.) nämlich blockförmige Geschlos- senheit, klare Determination des Raumes, innen und aussen flächig gehaltene Wände, auf denen die Gliederung mehr dekorativ als plastisch-tektonisch aufgetragen erscheint, sind nicht nur für Kirchen des katholischen Ritus, sondern auch für Gottes- häuser anderer Bekenntnisse gültig.»67 «Bei der profanen Architektur ist es nun kaum mehr möglich, eine echte Grenze zwischen öffent- lichem Nutzbau, Wohnhaus und Palast zu ziehen, da sich diese in bemerkenswerter Weise einander angleichen; es handelt sich dabei um eine Nivellie- rung nach oben. Alles wird gleichsam zum Palast oder soll zumindest in der äusseren Erscheinung so wirken.»68 
STRENGER HISTORISMUS, ETWA 1850 RIS 1880 «Er entspricht dem englischen <High Victoriam und dem französischen <Second Empire>».69 «Es ging dem strengen Historismus darum, mit den <reinen Elementen) der Stile der Vergangenheit gleichsam das Formenvokabular zu gewinnen, das auf die verschiedensten von der Gegenwart gestellten Auf- gaben anwendbar war: nicht die Gesamtheit eines Stils wollte man erfassen und erneuern, sondern man dachte, mit einzelnen erprobten Formeln aus dem alten Formenrepertoire eine neue Ganzheit im Sinne des historischen Stiles gewinnen zu können. Die <Reinheit des Stiles) wurde zum Schlagwort. Das war eine grundsätzlich andere Einstellung als jene des Stilsynkretismus des romantischen Histo- rismus, und trotz enger Bindungen zwischen bei- den Phasen stiess die ältere bei der jüngeren Rich- tung auf eine theoretisch wohlfundierte Ableh- nung.»70 Man kam zur Einsicht, dass mit den Formen eines Baustils nicht das ganze bauliche Bedürfnis der Zeit gedeckt werden kann. «. . .Wollte man aber die verschiedenen Bauaufgaben mit den jeweils zu ihnen passenden Stilformen der Vergangenheit lö- sen, so musste man es mit den reinen Elementen dieser Stile machen.»71 «Das Sichstützen auf die Bausteine eines Stiles ver- mittelte ein Gefühl der Sicherheit, da man mit er- probten Elementen operierte und so keine Einbrü- che aus irrationalen Zonen in die reale und klar durchschaubare Wirklichkeit befürchten musste. Auf solch fest erscheinendem Boden stehend, wandte man sich gegen die auf subjektiver An- schauung fussende Romantik und misstraute dem Geltungsstreben des Künstlertums und der künstle- rischen Individualität. Mit den lehrbaren, akade- misch verwendbaren Stildetails glaubte man die Gewähr für einen objektiven und daher <richtigen> Stil gefunden zu haben.» Es bestand die Gefahr, dass die Architektur schliesslich bei einem sterilen Formpartikularismus landet. «Da jedoch auch der strenge Historismus bedeutende Künstlerpersön- lichkeiten mit origineller Individualität aufzuwei- 316
	        

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