Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1994) (92)

nungsruf und eine Rüge des Präsidenten ein, was sonst kaum je vorgekommen war.75 Bei der nächsten Sitzung am 23. Dezember 1876 fehlten die 4 Unterländer Abgeordneten. Stattdes- sen hatten sie ein Schreiben deponiert, wonach sie ihr Mandat als Abgeordnete niederlegten. Die Vor- lage für das neue Münzgesetz war seit der letzten Sitzung nochmals von der Gesetzeskommission in Beratung gezogen worden, und der Referent der Kommission, Dr. Rudolf Schädler, konnte der Ver- sammlung mitteilen, dass auch die beiden Unter- länder Kommissionsmitglieder die Erklärung abge- geben hätten, für das Münzgesetz zu stimmen, falls das Gesetz dahingehend abgeändert werde, dass es erstens erst auf den 1. Februar anstatt den 1. Ja- nuar in Kraft trete und dass zweitens Darlehen bis zum 16. Juli 1877 noch in Silbergulden zurückbe- zahlt werden könnten. Der Einlösung ihres mit Handschlag bekräftigten Versprechens entzogen sich aber die Unterländer Abgeordneten, indem sie dieser Landtagssitzung fernblieben. Darauf wurde das Gesetz in der neuen Fassung der Gesetzeskom- mission mit allen 11 Stimmen der anwesenden Ab- geordneten angenommen. Die Ereignisse folgten sich dann Schlag auf Schlag. Am 13. Januar 1877, dem Tag des Sessionsschlusses des Landtags mar- schierten die Unterländer mit 300 Mann76 vor dem Regierungsgebäude in Vaduz auf und forderten ka- tegorisch die Sistierung des eben beschlossenen Münzgesetzes und die Auflösung des Landtags. Um ihrem Verlangen noch Nachdruck zu verleihen, drohten sie sogar mit dem Anschluss des Unterlan- des an Österreich, falls ihre Forderungen nicht er- füllt würden. Nach dieser Kundgebung entfernten sich die Demonstranten wieder ruhig und geord- net. Die Wirkung blieb nicht aus. Schon zwei Tage später, am 15. Januar, legten sämtliche Oberländer Abgeordnete ihr Mandat nieder und ersuchten den Fürsten um Auflösung des Landtags. Der Fürst ver- fügte darauf umgehend die Sistierung des fatalen Münzgesetzes und die Auflösung des Landtags. Jetzt galt es, sich auf eine völlig neue Situation ein- zustellen. Das Münzgesetz war gescheitert, der Landtag aufgelöst, die Unterländer hatten ihre For- derung nach Beibehaltung des Silberguldens -wenn 
auch unter massiver Drohung - durchge- setzt. Dr. Rudolf Schädler war es gewesen, der die Man- datsniederlegung der Oberländer Abgeordneten angeregt und formuliert hatte: «Um dem Lande Ge- legenheit zu verschaffen, seine Gesinnung durch Neuwahlen unverfälscht äussern zu können, legen wir Abgeordnete unser Mandat nieder.»77 Es standen also auf den Frühling 1877 Neuwahlen an. Als Redaktor und Herausgeber der «Liechten- steinischen Wochenzeitung» stand Rudolf Schädler ein vorzügliches Instrument zur Darlegung seiner Meinung und zur Vorbereitung der Wahlen zur Ver- fügung. Demgegenüber hatten die Münzgesetzgeg- ner keine «eigene» inländische Zeitung. Rudolf Schädler machte aber wiederholt das Angebot, in der «Liechtensteinischen Wochenzeitung» jeder Meinung Raum zu gewähren. «Einem jeden steht es frei, und wir laden sogar hiezu ein, seine An- sichten in diesem Blatte zur Veröffentlichung zu bringen».78 Den Münzgesetzgegnern öffnete vor al- lem die «Feldkircher Zeitung» ihre Spalten. Die Wahlen wurden auf den 30. April angesetzt. Mit der Überschrift «Zur Lage» brachte Rudolf Schädler in der Ausgabe der «Liechtensteinischen Wochenzeitung» vom 19. Januar 1877 eine erste ausführliche redaktionelle Stellungnahme nach der Auflösung des Landtags. Er lässt darin zuerst noch- mals die ganze Entwicklung der umstrittenen Wäh- rungsreform Revue passieren. Er verurteilt in scharfer Form das Vorgehen der Reformgegner: «Die Vorgänge beruhen aber, auch da sie ohne äus- sere Ruhestörungen abgelaufen sind, nicht auf dem gesetzlichen Boden, schon gar nicht, wenn man von der Annahme oder Nichtannahme der Forde- rungen die staatliche Existenz Liechtensteins ab- hängig macht. Eine solche Alternative kann in kei- nem Staate erlaubt sein, sonst würden die Gesetze auf den Gassen gemacht... »79 Rudolf Schädler ver- spricht aber auch, die Lage in der Vorwahlzeit nicht noch zusätzlich anzuheizen: «Wir wollen nicht mit harten Reden und wuchtigen Vorwürfen Feuer ins Feuer tragen, sondern in kurzer und ru- higer Weise unsere Ansichten vorbringen ... »80 170
	        

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.