Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1994) (92)

einfache Konsultation je nach Zahlungskraft des Patienten Fr. 1- bis 1.50 und für einen Hausbe- such 
Fr. 2- bis 3.-. Eine Zangengeburt wurde mit Fr. 20-, die erwähnte Bruchoperation mit Fr. 40- honoriert. Der Preis der Arzneimittel war seit 187449 nach der österreichischen Taxordnung gere- gelt. Setzt man den Kaufwert des damaligen Fran- kens zum heutigen in Vergleich, so ergibt sich kein allzugrosser Unterschied in der Honorierung der ärztlichen Leistungen von damals zu heute. Der grosse Unterschied besteht dagegen in der mögli- chen Anzahl der Leistungen: Die Mobilität des Arz- tes hat sich so gesteigert, dass heute z. B. an einem Tag ein Vielfaches an Krankenbesuchen gegenüber damals möglich ist. Umgekehrt hat aber auch die Mobilität der Patienten in ähnlichem Masse zuge- nommen, um den Arzt in seiner Ordination aufsu- chen zu können. Dies aber wird finanziell wieder- um wettgemacht durch den gesteigerten Aufwand, der sich aus der modernen Medizin ergibt. Die Einrichtung einer öffentlichen Krankenkasse kannte man bis gegen Ende des Jahrhunderts nicht. Am 16. März 1894 wurden dann die Statuten der ersten freiwilligen Krankenkasse in Liechten- stein unter dem Namen «Allgemeiner Krankenun- terstützungsverein für das Fürstentum Liechten- stein» von der Regierung genehmigt. Der erste Prä- sident war Theodor Jehle von Schaan. Als eifrigster Propagandist für die gute Sache hielt der Balzner Kaplan und spätere Pfarrer von Triesenberg, Franz von Reding, unzählige Vorträge. Auch Dr. Rudolf Schädler setzte sich, wo er konnte, für die neu entstandene Krankenkasse ein. In der Jahresversammlung des «Landwirtschaftlichen Vereins» 1895 hatte er «in gediegener Rede den Krankenunterstützungsverein befürwortet und ein- dringlich empfohlen».50 Das System der neuen Krankenkasse sah vor, dass dem Patienten im Krankheitsfalle ein Taggeld ausgerichtet wurde. Eine direkte Zahlung an den Arzt gab es nicht.51 Die Arbeitszeit des Arztes betrug sieben Tage pro Woche. Wochentags dauerte die Sprechstunde von 8 bis 12 Uhr mittags. Dringende Besuche wurden vorher erledigt. Am Nachmittag wurde dann die ei-gentliche 
Besuchstour absolviert: Einmal gings ins Unterland, anderntags ins Oberland und am dritten Tag in die Schweizerische Nachbarschaft. Je an ei- nem Nachmittag der Woche hielt Dr. Rudolf Schäd- ler Sprechstunden in Buchs (Gasthaus Traube) und in Mauren (Gasthaus Rössle). Nach dem Tode von Dr. Peter Marxer aus Gamprin hatte er mit den Un- terländer Gemeinden einen Vertrag darüber abge- schlossen.52 Am Sonntag war eine regelmässige Ordination in der Praxis in Vaduz, die von morgens 8 Uhr bis nachmittags 2 Uhr dauerte.53 Rudolf Schädler war ein Frühaufsteher und es war ihm ein Bedürfnis, schon vor dem Frühstück etwas ge- leistet zu haben. Standen am Morgen keine Kran- kenbesuche an, so machte er meistens einen Pirschgang oder er spaltete eine Stunde lang Holz. Doch oft, wie das in der Geburtshilfe eben ist, brauchte man seine Hilfe auch nachts. Die Triesen- berger kamen in der Nacht immer zu zweit, um den Doktor zu holen, da sie wegen der Tobel- hocker53a Angst hatten, allein zu gehen, und sie konnten es nicht begreifen, dass er sie auf den Heimweg vorausschickte, um dann selbst seinen Weg allein unter die Füsse zu nehmen. Wie oft mag er wohl, den Rucksack mit den nötigsten Instru- menten und Medikamenten bepackt, in der einen Hand den Bergstock, in der anderen die Sturmla- terne, über den Stieg und den Grüschaweg in tief- ster Dunkelheit nach Triesenberg hinaufgestiegen sein? Oft waren die Verhältnisse schwierig, ob nun ein Föhnsturm tobte oder tiefer Schnee den Weg fast unbegehbar machte. Und nach dem mühsa- men Fussmarsch kam dann erst die verantwor- tungsvolle Arbeit, sei es eine Zangengeburt oder die Stillung einer schweren Blutung. ABBRUCH DES TSCHAGGATUBMS, NEUBAU DES SCHÄDLEBHAUSES Als Rudolf Schädler im Jahre 1869 die Praxis von seinem erkrankten Vater übernommen hatte, führ- te er diese zunächst in den alten Räumen des «Tschaggaturms» weiter. Doch als dann im Früh- jahr 1872 auch noch der Bruder Albert dazustiess, 164
	        

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