Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1994) (92)

Rudolf Schädler war in Freiburg ein engagierter Burschenschafter gewesen. Während seines ganzen Studiums in Freiburg gehörte er der Ver- bindung «Teutonia» an. Das Burschenschaftswesen in Freiburg hatte für einen Liechtensteiner eine be- sondere Tradition, war doch Peter Kaiser in den Jahren 1817/19 «einer der Begründer der Bur- schenschaft in Freiburg».22 Durch die Suspension der ganzen Universität Freiburg im September 1832 war dann aber jedem Verbindungsleben vorübergehend ein Ende gemacht. Doch in den Vierzigerjahren begann ein Wiederaufleben der Burschenschaft in Freiburg und 1851 wurde die «Teutonia» gegründet.23 Die Teutonen waren eine schlagende Verbindung und Schädler war ein bril- lanter Fechter. Er war immer stolz darauf, dass er bei den zahllosen Mensuren, die er im Verlauf sei- ner Studienzeit focht, nie einen Schmiss davonge- tragen hatte. Im hohen Alter erinnerte er sich noch gern an die Zeit der Burschenherrlichkeit in Frei- burg. In Wien hatte Rudolf Schädler nur ein Semester verbracht. Promovieren konnte er dort nicht, da in Liechtenstein zur Ausübung des Arztberufes der Abschluss an einer deutschen Universität vorge- schrieben war, eine Regelung, die noch aus der Zeit des Deutschen Bundes stammte. Da zu jener Zeit in Giessen die Formalitäten zur Er- langung der Promotion verhältnismässig unkom- pliziert waren,24 begab sich Rudolf Schädler nach Semesterschluss von Wien nach Giessen. Dort legte er die Doktorprüfung ab, ohne eine schriftliche Dissertation einreichen zu müssen. Er wurde am 16. August 1869 promoviert.25 ALS PRAKTISCHER ARZT IN VADUZ Unterdessen hatte der Vater Dr. Karl Schädler in Vaduz schon mit Ungeduld auf die Rückkehr seines Sohnes Rudolf gewartet, denn ein beginnendes Krebsleiden26 schwächte seine Kräfte zusehends. Rudolf musste vom ersten Tag an mit vollem Ein- satz an die Arbeit, um den Vater zu entlasten. Es kam ihm jetzt zugute, dass er schon im Jahr zuvor 
in der väterlichen Praxis als Praktikant gearbeitet hatte und ihm der Betrieb nicht fremd war. Dr. Ru- dolf Schädlers Einstand schildert die Schriftstelle- rin Grete Gulbransson (1882-1934) in anschau- licher Weise.27 Sie hatte sich von ihm im Sommer 1929 anlässlich eines Aufenthaltes auf Gaflei seine Lebenserinnerungen erzählen lassen: «Und da hat- te der Vierundzwanzigjährige gleich eine gehörige Feuertaufe zu bestehen, denn er kam mitten in die grosse Typhusepidemie hinein. Aber das war ihm gerade recht! Da konnte er seine jungen Kräfte, sei- nen Mut und seine feste Zuversicht in die Natur be- weisen. Ungesäumt und furchtlos trat er dem ent- setzlichen Feind entgegen und machte sich ans Ku- rieren auf seine Weise. Es waren Hunderte von Ty- phuskranken, die er zu behandeln hatte, in Triesen allein zweihundert.28 Seine Praxis erstreckte sich nicht nur auf Liechtenstein, sondern noch auf ei- nen grossen Teil des St. Galler Oberlandes, da er bald ein vielbegehrter Arzt war. Und er lief am An- fang fast alle Wege zu Fuss. Ganz früh am Morgen machte er sich auf, behandelte eine Anzahl Ty- phuskranker in Triesen, bis er merkte «jetzt heisst es hören», dann ging er heim zum Frühstück, und gleich nachher zu Fuss in die Schweiz hinüber, nach Sevelen, ins Wartauische hinauf, nach Bal- zers, und dann auf dem Heimweg kam die zweite Hälfte der Typhuskranken in Triesen dran. Fortwährend schwebte er bei dieser anstrengen- den Tätigkeit in eigener Lebensgefahr, und als er sich einmal schon von der Krankheit erfasst fühlte, gelang es ihm, ihr wieder auszukommen, indem er ein paar Budele Schnaps zum Heiltrank erhob.» Bei dieser Typhusepidemie in Liechtenstein betrug der Prozentsatz der Todesfälle nur 2 bis 3 Prozent. Es waren Ausnahmezeiten, als die grosse Typhus- epidemie wütete. Auch der Tageslauf des Arztes war anders als sonst. Denn normalerweise stand am Vormittag die Sprechstunde und am Nachmit- tag die Krankenbesuchsrunde auf dem Tagesplan. Für die Besuche stand auch ein Pferd zur Verfü- gung. Die Praxis wurde grösser und grösser, und so war Rudolf Schädler froh, als sein jüngerer Bruder Albert, der ebenfalls Medizin studiert hatte, nach 158
	        

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