Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1994) (92)

Das Schulwesen ZIELSETZUNG UND ORGANISATION DER SCHULE Im 18. Jahrhundert kam das Schulwesen nicht über einige Ansätze hinaus. Die Organisation des Unterrichts war völlig den einzelnen Gemeinden überlassen. Ausgebildete Lehrer waren selten, ne- ben einzelnen Geistlichen unterrichteten auch Handwerker und Bauern. Ihre Besoldung war sehr gering. Der Unterricht fand gewöhnlich in der Wohnung des Lehrers statt, Bücher für Unterrichts- zwecke waren keine vorhanden. Die Bauern sahen den Nutzen des Schulbesuchs meist nicht ein, die Arbeit auf dem Feld oder im Stall hatte Vorrang.1 Impulse zur Verbesserung des Unterrichtswesens gingen zu Beginn des 19. Jahrhunderts vor allem von den Geistlichen aus. Unter dem Einfluss der Aufklärung und des österreichischen Beispiels hat- te sich aber auch die Haltung der Beamten gegen- über der Schule grundlegend verändert: Sie sahen nun im Unterrichtswesen eine Aufgabe, um die sich auch der Staat im Sinne der Wohlfahrt und Fürsorge zu kümmern hatte. Die mangelnde Schul- bildung war nach Auffassung der Beamten der wichtigste Grund dafür, dass das Gewerbe und die Kultur im Vergleich zu den umliegenden Staaten unterentwickelt waren. Das erwachte Interesse des Staates am Schulwesen hatte jedoch auch noch einen andern Grund: Da eine allgemeine mehrjährige Schulpflicht die Sozia- lisation der gesamten heranwachsenden Schul- jugend entscheidend beeinflussen musste, eignete sich die Schule hervorragend als Instrument zur Herrschaftssicherung. Die Schule sollte die Kinder zu pflichtbewussten und gehorsamen Untertanen erziehen, kritisches Denken hingegen sollte nicht gefördert werden.2 Zahlreiche Vorschriften in den beiden Schulgesetzen von 1822 und 1827 zielten auf die Disziplinierung der Kinder ab. Diese Schul- gesetze sahen unter anderem vor, dass die Kinder während der Schulzeit täglich die Messe besuchen mussten und dass unentschuldigtes Fernbleiben vom Unterricht mit Geldbussen zu bestrafen war. Die Schulgesetze enthielten auch zahlreiche sitt-liche 
Verhaltensvorschriften für die Zeit vor, wäh- rend und nach der Schule. In jeder Gemeinde bestanden nach dem Vorbild der süddeutschen Staaten eine Trivial- (oder Elemen- tar-) und eine Sonntagsschule: Die Schulpflicht für die Trivialschule dauerte vom 6. bis 12. Lebensjahr (nach dem älteren Schulgesetz von 1822 vom 7. bis zum 14.). Anschliessend musste bis zum 20. Le- bensjahr die Sonntagsschule besucht werden, in der der gelernte Schulstoff repetiert wurde. Nach Ansicht des Oberamtes sollte sich die Schule auf die Vermittlung jener Kenntnisse beschränken, die für einen Bauern notwendig waren: An erster Stelle standen Religion und christliche Sittenlehre, dann folgten Lesen, Schön- und Rechtschreiben und Rechnen. Die Einführung von weiteren Schul- fächern wie Gesang, Landeskunde, Geometrie und Zeichnen wurde zwar von den Geistlichen wieder- holt angeregt, aber erst durch das Schulgesetz von 1859 verwirklicht. Beim vermittelten Schulstoff wurde inhaltlich streng darauf geachtet, dass er in keinem Wider- spruch zur katholischen Religionslehre stand. Nach dem Schulgesetz von 1822 bestanden die Lehrmit- tel lediglich aus einem kleinen Katechismus, einem Abriss der Religionsgeschichte und einem Sitten- büchlein.3 Noch 1858 äusserte sich Menzinger in gleichem Sinne: «Die Schulbücher werden nur im- mer nach vorläufiger Durchsicht und Prüfung des Oberschulen-Inspektors eingeführt, um sicher zu seyn, dass sie nichts gegen die Grundsätze der ka- tholischen Kirche Widriges enthalten.»4 DIE SCHULGESETZE ALS AUSDRUCK DER STAATLICHEN SCHULHOHEIT Für die Beamten bestand zu Beginn des 19. Jahr- hunderts nicht der geringste Zweifel darüber, dass die Schulhoheit zu den Hoheitsrechten des Monar- chen gehörte.5 Daraus hätte an sich eine staatliche Verpflichtung abgeleitet wrden müssen, im Schul- bereich aktiv zu werden. Tatsächlich gingen jedoch vom Oberamt in Vaduz nur wenige und von der 106
	        

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.