Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1991) (90)

DIE FASTENTÜCHER VON BALZERS REINER SÖRRIES Abb. 10: Balzers, Maria- hilf-Kapelle mit den Fa- stentüchern Einbeziehung der Tücher in das Raumambiente gibt ihnen ihre wahre Bedeutung zurück. Als muse- ale Einzelstücke können sie in ihrem Charakter als Gesamtkunstwerk kaum mehr erfasst werden. Einer Präsentation im Museum sollte deshalb unbe- dingt eine Aufnahme, wie sie im Raum wirken, un- terstützend beigegeben werden. Der Blick auf den Grundriss der Mariahilf-Kapelle lässt den Standort der Altäre mit ihren Fastentüchern gut erkennen (Abb. 9). Ausser den relativ gut harmonierenden Massver- hältnissen stimmt auch die für die Fastentücher gewonnene Datierung zwischen 1700 und 1750 mit der angenommenen Entstehung der Altäre um 1720 recht gut überein.21 Vielleicht dürfen die drei Altäre ursächlich auch mit jener Chorerweiterung und Neugestaltung der Kapelle zusammenhängen, die im Zusammenhang mit der Gründung einer Ma- riahilf-Bruderschaft 1736 gesehen wird.22 Dieses Datum gefiele mir auch für die Entstehung der bei- den seitlichen Fastentücher am besten. Chorerwei- terung, Altäre und Fastentücher könnten demnach als eine Einheit betrachtet werden, wenn nicht doch das mögliche höhere Alter des Vesperbildes eine sukzessive Entstehung denkbar erscheinen liesse. Es ist jedoch nicht auszuschliessen, dass das ältere Vesperbild noch aus der Ausstattung vor 1720 stammt, wie auch das Hochaltarblatt noch vom Vorgängeraltar übernommen und durch eine sichtbare Vergrösserung dem heutigen Retabel an- gepasst wurde. Da Fastentücher gerne als Stiftun-gen 
in die Kirchen votiert wurden, wäre es weder möglich noch sinnvoll gewesen, das relativ neue Tuch auszuwechseln. Ebenso könnten dann im Sinne von Stiftungen die seitlichen Fastentücher ge- meinsam in die Kapelle gelangt sein. Für Balzers spricht auch die vom ikonographischen Kanon der Fastentuchfolgen abweichende Darstel- lung des Vesperbildes anstelle der Kreuzigung. Weil die Kapelle in Balzers eine Marienkapelle ist und als Hochaltarblatt und gleichzeitig als Gnadenbild eine Kopie des weltberühmten Cranach'schen Ma- riahilf-Bildes aus Innsbruck fungiert, übernimmt die Fastentuchikonographie hier die marianische Ausrichtung. Somit bleibt auch in der christuszen- trierten Fastenzeit im Vesperbild Maria mit ihrem toten Sohn im Mittelpunkt. Diese ikonographische Besonderheit spricht am deutlichsten für die Her- kunft aus der Mariahilf-Kapelle in Balzers. Der Weg, auf dem die Fastentücher von Balzers nach Schloss Gutenberg gelangt sind, lässt sich nur vermutungsweise erschliessen. Das Schloss war zu 20) Die Malerei auf dem Fastentuch greift auf den Stoff über, der um die Stange gewickelt ist. 21) Die Angabe 1729 findet sich bei Poeschel, Erwin: Die Kunstdenk- mäler des Fürstentums Liechtenstein. Basel, 1950. S. 56; ebenso Vogt, Rita: Künstlerische Ausstattung. In: Die Mariahilf-Kapelle. Festschrift anlasslich der 700-Jahrfeier 1989. Hrsg. Gemeinde Balzers. Balzers, 1989. S. 49-57. mit dem Hinweis auf Poeschel. der die Umgestaltung vor der Gründung der Bruderschaft 1736 annimmt. 22) Poeschel. S. 52. 383
	        

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.