Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1991) (90)

In seinem Schreiben an den Fürsten, einen Tag nach seiner Stellungnahme gegenüber dem Regie- rungsamt geschrieben, quittierte Tichy, „dem aller- höchsten Befehle Seiner Durchlaucht gehorchend", seine Leutnantsstelle.357 Von einer Untersuchung nahm er Abstand, obwohl er nach seiner Aussage „nur zuviel der schlagendstens Rechtfertigungs- Gründe vorzubringen" gehabt hätte.358 Er wollte aber „diesen Herrn jenen grossen Verlegenheiten nicht aussetzen, in welche ihn eine Untersuchung unausweichlich führen müsste" und legte gleichzei- tig „dem Herrn aber den so gethanen Schritt gröss- ter Rache auf sein Gewissen".359 Wie tief das Zer- würfnis zwischen Tichy und Rheinberger sich ent- wickelt hatte, zeigt die Bemerkung Tichys, dass ihm ein „Weiterleben unter dem Herrn Oberleutnant Pe- ter Rheinberger ... ohnedies für die Zukunft bei den hier seit einem Jahre eingetretenen misslichen Verhältnissen rein unmöglich geworden" wäre.360 Menzingers ablehnende Haltung gegenüber Tichy kam in seiner Stellungnahme zu dessen Vorwürfen zum Ausdruck. Er hielt Tichy dessen „regulaments- widriges Benehmen" noch einmal vor Augen und warf ihm vor, durch seine Verdächtigungen die be- stehenden Missverhältnisse hervorgerufen zu ha- ben.361 Der Landesverweser beschuldigte Tichy so- gar, dort als Denunziant gehandelt zu haben, wo eine „besonnene offene Sprache am Platz und Pflicht" gewesen wäre, wodurch der „freie achtbare Charakter des Verfassers in Frage" gestellt wer- de.362 Durch das dem Kommandanten Rheinberger ausgesprochene volle Vertrauen wies Menzinger die Vorwürfe Tichys auch indirekt nochmals ent- schieden zurück. Leutnant Adolf Tichy trat am 5. Januar 1861 durch „Quittierung" aus dem liechtensteinischen Militär- dienst aus und verliess das Land.363 Tichys Anstellung war für das liechtensteinische Kontingent ohne Bedeutung. Er war lediglich we- gen der bestehenden aussenpolitischen Umstände in das Kontingent berufen worden. Die zeitlich kur- ze Präsenz Tichys, seine geringe militärische Erfah- rung und sein gestörtes Verhältnis zu Peter Rhein- berger und auch zum Landesverweser verhinder-ten 
ein sinnvolles Wirken seinerseits im Bundes- kontingent. Was die militärische Führung des Kontingents an- belangte, war die Zeit von 1836 bis 1849 durch das Faktum der ausländischen Offiziere und Kontin- gentskommandanten geprägt. Da es an geeigneten einheimischen Persönlichkeiten für diesen Posten mangelte, mussten diese Auswege beschritten wer- den. Die Situation der drei ersten Kontingentskom- mandanten weist gewisse Ähnlichkeiten und Über- schneidungen auf. Alle drei stiessen bei der Bevöl- kerung im Lande auf eine ablehnenden Haltung. Durch die ausländischen Offiziere wurden die Leute im Lande stets an die materielle Belastung durch das Militär erinnert, was neben einer latent vorhan- denen Fremdenfeindlichkeit die ausgrenzende Hal- tung noch vergrösserte. Dazu kam noch die z.T. etwas etxravagante Lebensweise der Offiziere, ver- bunden mit der bei allen dreien vorhandenen stän- digen Geldverlegenheit. Diese Faktoren bewirkten, dass die Offiziere zu einer mehr oder weniger sozial isolierten Lebensführung gezwungen waren, was für sie zu einer psychisch stark belasteten Situation führte. Für die Kommandanten kam dazu noch das weitere Erschwernis, dass das Kontingent sowohl bei der Bevölkerung als auch bei den Inhabern der Staatsmacht bestenfalls als notwendiges Übel be- trachtet, teilweise sogar offen abgelehnt oder min- destens in Frage gestellt wurde. Die ständige Fi- nanznot des Landes trug das Ihre dazu bei, dass manchmal bis zum Exzess gespart wurde und der Kommandant in Fragen der Ergänzung oder Er- neuerung der Ausrüstung, der Verbesserung der Ausbildung und der Erfüllung der Forderungen von Seiten des Deutschen Bundes oft einen aufreiben- den einsamen Kampf führte. Die Situation, in der sich diese Offiziere befanden, die allgemeine schlechte wirtschafltiche Lage des Landes und das noch recht bescheidene Ausbildungsniveau des Grossteils der Einheimischen dürften erklären, warum bis 1848 keine liechtensteinischen Freiwilli- gen für Offiziersdienste zur Verfügung standen. Die Situation der Unteroffiziere war insofern eine andere, als von Anfang an Liechtensteiner zu die- sen Chargen beigezogen wurden. Zwar mussten 214
	        

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