Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1991) (90)

einen Gulden zu bezahlen hatte.194 Ein weiterer wichtiger Grund für einen Einstandsvertrag konnte auch eine Auswanderungsabsicht sein. So bezahlte Gottlieb Kindle aus Triesen, der beabsichtigte nach Amerika auszuwandern, weil er dort ein besseres Auskommen zu finden hoffte, dem Einsteher David Boss aus Vaduz für die noch zu leistenden zwei Jahre Reservedienst sogleich in bar sechs Kreuzta- ler.195 Auch zwischen Brüdern wurden solche Verträge abgeschlossen. In Ruggell zog Anton Büchel, von Beruf Wagner, das Los und wurde dem Kontingent zugeteilt.196 Sein Bruder Johann, von Beruf Maurer, trat für ihn ein, da der Wagner für die Haushaltung durch die vom Vater betriebene „Wagnerprofession erspriessliche Dienste"197 leistete. Sein Bruder hin- gegen hatte als Maurer die Möglichkeit, seinen Ver- dienst in der Fremde suchen. Für die übernomme- ne Dienstzeit bezahlte Anton seinem Bruder 100 Gulden aus der Haushaltung und dazu während seiner Dienstzeit ein „angemessenes Sackgeld".198 Es war auch möglich, für einen Teil der Dienstzeit Verträge abzuschliessen oder einen Tausch vorzu- nehmen in bezug auf noch ausstehende Dienstzeit. Ein bereits in der Reserve dienender Soldat konnte z.B. für einen neu ausgelosten einstehen und des- sen ganze Dienstzeit übernehmen, wofür der neu Ausgeloste als Reservist einstand und noch einen bestimmten Betrag auszubezahlen hatte.199 Josef Kriss aus Balzers, der noch ein Jahr im aktiven Korps und drei Reservejahre zu dienen hatte, be- kam von Johann Marxer aus Eschen, der noch zwei Jahre aktiv und drei Jahre in der Reserve verpflich- tet war, für den Tausch der Dienstverpflichtung die Summe von 100 Gulden bezahlt.200 Einen anderen Aspekt vermittelt der Wunsch von Wilhelm Boss aus Vaduz, der 1837 als Reserve- mann ausgelost worden war.201 Er bat 1838 dar- um, für Franz Martin Büchel aus Ruggell, welcher im aktiven Korps diente, die Nummer tauschen zu dürfen gegen ein Aufgeld von 100 Gulden. Boss gab als Grund an, dass er für den Waffenstand Vorliebe, und „zu Haus nichts zu leben habe".202 Da Boss während zwei Jahren und neun Monaten als römi-scher 
Soldat gedient hatte,203 war er im liechten- steinischen Kontingent gut zu verwenden. In den Jahren 1838 bis 1841 zeigt sich eine etwa gleichbleibende Tendenz von ca. 30% Einstehern im Durchschnitt bei in etwa gleichbleibenden Ein- standssummen. Gesamthaft gesehen ist die Zahl der abgeschlosse- nen Verträge recht gross und die dafür aufgebrach- ten Summen sind überraschend hoch. Daraus lässt sich ableiten, dass viele danach tendierten, den Mi- litärdienst zu vermeiden, weil er in verschiedener Hinsicht hinderlich war für die Ausübung des Beru- fes, weil er eine Arbeitstätigkeit im Ausland er- schwerte, weil er das Privatleben einschränkte und - nicht zuletzt - weil ein Einsatz im Kriegsfall mit all seinen Konsequenzen durchaus im Bereich des Möglichen lag. DIE KNABENSCHAFTSVERTRÄGE Eine weitere Möglichkeit, dem Militärdienst auszu- weichen oder ihn mindestens materiell etwas zu „versüssen", bestand durch die Knabenschafts- oder Gesellschaftsverträge. Diese Abmachungen wurden unter den spiel- oder losungspflichtigen Burschen einer Gemeinde abge- schlossen. Solche Knabenschaften existierten ver- mutlich schon von altersher in den einzelnen Dör- fern des Landes. Oft waren sie Anlass zu Klagen wegen ihres jugendlich ungestümen Benehmens und wegen der in ihren Reihen herrschenden Sitten und Gebräuche.204 Diese Knabenschaften trafen auch wegen der Mili- tärgestellung Abkommen verschiedenster Art. Schon 1831, vor der eigentlichen Aufteilung des Kontingentes, kaufte z.B. die Gemeinde Schellen- berg die zwei Mann, die „das Kündigend von ihnen fordert(e)".205 Jedem der zwei Einsteher bezahlte die Gemeinde 300 Gulden und mit ihren Unter- schriften bestätigten und bekräftigten 36 „Knaben der Gemeinde"206 diese Abmachung. Es gab auch Verträge zwischen einer Gemeinde und den Militärpflichtigen. So beschlossen die Ge- meindebürger von Eschen im April 1831 gemein- 120
	        

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