Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1991) (89)

damals die Grundlage dafür gelegt, dass die Drei sich später in der Beurteilung der geschichtlichen und politischen Gegebenheiten unseres Landes wie- der trafen. Man darf fast mit Sicherheit annehmen, dass Lud- wig Grass und Peter Kaiser sich in dem von beiden gleichzeitig in Wien verbrachten Jahr 1810/11 öfters getroffen und sich auch angefreundet haben. Auf eine lange zurückreichende Freundschaft der beiden lässt auch die Art schliessen, wie Kaiser in späteren Jahren in seinen Briefen nach Vaduz für Dr. Grass immer besondere Grüsse ausrichten lässt. So z. B. in den Briefen vom Jahre 1848 aus Frankfurt an Menzinger.408 Leider ist uns kein direkter Brief- wechsel zwischen Kaiser und Grass erhalten. Am 13. November 1811 wurde Ludwig Grass an der medizinischen Fakultät der Universität Landshut in Bayern immatrikuliert.409 Warum er von der Uni- versität Wien an jene von Landshut wechselte, ist nicht klar. Es könnte sein, dass der Vater, Christoph Grass, seine früher geäussere Absicht, Vaduz zu verlassen und nach Vorarlberg zurückzukehren, immer noch nicht endgültig aufgegeben hatte.410 Dies hätte dann wohl auch für Ludwig eine spätere Niederlassung in der alten Heimat und damit die Ausübung seines Berufes in Vorarlberg bedeutet. Dazu wäre ihm aber mit einem bayerischen Doktor- diplom besser gedient gewesen, als mit einem österreichischen, denn Vorarlberg gehörte ja in jener Zeit zu Bayern. In Landshut absolvierte Grass das weitere Studium in nur vier Semestern, und es fand seinen Abschluss mit dem Doktorat im Dezember 1813. Das Doktor- diplom ist noch erhalten und wird im liechtensteini- schen Landesarchiv aufbewahrt.411 Die schriftliche Dissertation hatte den Titel «De Hysteria» und war wie üblich in lateinischer Sprache abgefasst und wurde gedruckt. Leider ist sie nicht mehr erhalten. Die sechs Professoren, welche die mündliche Dok- torprüfung abnahmen, haben auch das Doktordi- plom unterschrieben.412 Darunter sind bekannte Namen: der Kliniker und Naturphilosoph Andreas Roeschlaub (1768-1835) und der bedeutende Oph- thalmologe und Chirurg Philipp von Walther (1782- 1849). 
Grass hatte das Medizinstudium in der für ihn kürzest möglichen Zeit hinter sich gebracht. Es hängt vielleicht damit zusammen, dass ihm die Prüfer nur das Prädikat «rite»413 zuerkannten, oder waren es politische Gründe, welche die Notenge- bung beeinflussten? DR. GRASS ALS ARZT Dr. Grass hat offenbar direkt nach seiner Promo- tion, also noch im Dezember 1813 seine Tätigkeit als praktischer Arzt in Vaduz aufgenommen.414 Ein Praktikum scheint er vorher nicht absolviert zu haben. Eine Anfrage des «Königlich Baierischen Polizey- Commissariats» Landshut aus jener Zeit beim Oberamt in Vaduz415 lässt nicht unbedingt den Schluss zu, Grass sei Burschenschafter gewesen, legt diese Annahme aber doch nahe. Aus dem Akt geht hervor, dass die Polizei in Landshut im Frühjahr 1815 einen handgeschriebenen Burschen- Comment416 und ein «gesellschaftliches Statut» bei einem dortigen Studenten gefunden hatte. Diese beiden corpora delicti waren zu seiner Landshuter Studentenzeit im Besitz von Ludwig Grass gewesen. Jetzt erregten sie das höchste Misstrauen der Polizei, deutete der Besitz eines Comments doch auf die Mitgliedschaft bei einer der verbotenen Bur- 408) z.B. Kaiser an Menzinger, 17. September 1848, LLA Peter Kaiser Akten. 409) Matrikel der Universität Landshut, jetzt im Universitätsarchiv München, wo die noch vorhandenen Bestände der ehemaligen Universität Landshut seit 1826 verwahrt werden. 410) siehe auch oben, S. 28. 411) Doktor-Diplom vom 1. Dezember 1813. LLA RB G7. 412) Die Professoren Henr. de Leveling, Georg Bertele, Andreas Roeschlaub, Ph. Fr. de Walther, Joan Feiler und J. A. Schultes. 413) «rite» = genügend. 414) Menzinger an Hofkanzlei 1. Oktober 1838, LLA RC 61/7. 415) Polizeikommissariat Landshut an Oberamt Vaduz, 10. Mai 1815, und Protokoll vom 24. Mai 1815, LLA RB V3. 416) Der Comment enthält die Burschenschaftsregeln. 80
	        

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