Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1991) (89)

mit den Volksvertretern die liegengebliebenen exi- stentiellen Aufgaben des Staates zu einer Lösung bringen könne. Es ist zu vermuten, dass die Vorsteher vor Abfassung ihres «Promemoria» sich mit den führenden Mitgliedern des alten Landrates, also auch mit Karl Schädler, beraten hatten. Diese Forderungen fanden gegenüber dem Fürsten auch die Unterstützung Menzingers.307 Menzingers Idee war es allerdings, den Verfassungsentwurf von 1849 wohl als Grundlage zu nehmen, wobei er ihn aber mit den ihm nötig erscheinenden - natürlich konser- vativen - Änderungen versehen wollte.308 Doch darauf ging der Fürst gar nicht ein. Stattdessen berief er nach einer zehnjährigen Pause den ständi- schen Landtag wieder ein, um diesem für das Jahr 1858 wieder ein Steuerpostulat vorzulegen. Dies bot nun den Landständen die Gelegenheit, nach der Annahme des Postulats demonstrativ und einstim- mig wiederum die Bitte an den Fürsten zu richten, endlich dem Lande eine Verfassung mit freigewähl- ten Volksvertretern zu gewähren und den Landrat wieder einzusetzen.309 Weitere Bitten betrafen ein- mal mehr die Erneuerung der Gemeindeordnung und des Schulwesens, dann die Zehentablösung. Doch wiederum zögerte der Fürst. Er wollte zuerst, ähnlich wie Österreich, ein Konkordat mit dem Vatikan abschliessen, um ein geregeltes Verhältnis Staat-Kirche auch in die künftige Verfassung ein- bauen zu können. Es war dies aber sicher nicht der einzige Grund des Zauderns. Fürst Alois II. war von jeher ein Mensch, der sich nicht rasch entschliessen konnte. Aufsein Alter hin - er war jetzt doch schon über sechzig - trat diese Eigenschaft noch stärker in Erscheinung, wohl noch zusätzlich gefördert durch die Krankheit, der er schliesslich am 12. November 1858 erlag. Mit einem Manifest310 zeigte Fürst Johann II. noch am Todestag seines Vaters Alois II. die Übernahme der Regierung des Fürstentums Liechtenstein an. Er war erst achtzehnjährig und hatte seine Studien noch nicht ganz abgeschlossen. Dass er aber ent- schlossen war, dem Lande ein tätiger Fürst zu sein, zeigt die Art und Weise, wie er an seine Aufgabe herantrat. Schon im Februar 1859 setzte er das neue Schulgesetz in Kraft, dessen Entwurf schon ein Jahr 
zuvor nach Wien gesandt worden und unerledigt liegengeblieben war.311 Anlässlich der Sitzungen des Stände-Landtages vom 6. September und 31. Dezember 1858 hatte dieser seine wiederholten Bitten um eine konstitutionelle Verfassung schriftlich erneuert und der junge Fürst trat sofort darauf ein. Am 10. Januar beauftragte er den ständischen Landtag, einen Verfassungsentwurf auszuarbeiten. Doch dem Landtag fehlte es an Männern, welche dieser Aufgabe gewachsen waren, weshalb er wünschte, noch weitere Personen für die Verfas- sungsfrage wählen zu dürfen. Dabei war den Landständen die gute Arbeit des Verfassungsrates von 1848/49 noch in bester Erinnerung. Jetzt griff jedoch Menzinger ein und sandte einen eigenen Verfassungsentwurf nach Wien. Es war eine Kopie der Verfassung von Hohenzollern-Sigmaringen von 1833, die aber Menzinger in wichtigen Punkten wesentlich konservativer gestaltete. Er sollte aber nicht mehr von der bisherigen Ständevertretung, sondern vom Landrat beraten werden. Doch dazu kam es nicht. Es traten verschiedene Veränderun- gen an höchster Stelle ein, welche für die nächsten zwei Jahre für den schleppenden Gang der Dinge verantwortlich waren. Der junge Fürst wollte noch seine Hochschulstudi- en312 abschliessen, was auch dem Wunsch seiner Mutter, Fürstin Franziska313, entsprach. Fürstin Franziska übernahm deshalb für annähernd zwei Jahre die Regentschaft über das Fürstentum Liech- tenstein.314 Die Planung für die weitere Ausbildung Johann II. wurde, entsprechend der Einstellung der Fürstin, dem streng konservativen Freiherrn J. T. B. von Linde,315 der liechtensteinischer Bundesge- sandter in Frankfurt war, anvertraut. Von Linde hatte auch als politischer Berater grossen Einfluss auf die Fürstin. In der Frage der Verfassung riet er der Fürstin, diese ruhen zu lassen und die Entwick- lung in Österreich abzuwarten, eine Einstellung, die sehr an jene des verstorbenen Fürsten Alois II. erinnert. Die Landstände, deren Geduld allmählich zu Ende ging, forderten bei der Landtagssitzung vom 12. September 1860 in einer Petition, die Über- 66
	        

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