Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1991) (89)

durch die Unabhängigkeit der Gemeinden gewähr- leistet werden konnte. Die Gemeinden sollten frei sein in der Wahl ihrer Vorsteher und in der Verwaltung ihres Vermögens. Der Entwurf sah eine Trennung in politische Ge- meinde und Genossengemeinde vor. Der Landrat hatte sich die Gemeindeordnung der schweizeri- schen Nachbarschaft zum Vorbild genommen.293 Der Gesamtlandrat nahm den Entwurf Ende des Jahres 1849 gegen manche Bedenken und Einwän- de des Landesverwesers Menzinger an und am 19. März 1850294 wurde er mit einem Begleitschrei- ben Präsident Schädlers dem Fürsten zugeleitet. Der Entwurf erhielt jedoch die Billigung des Fürsten nicht. Ende des Jahres 1849 befasste sich der Landrat auch noch damit, den Verfassungsentwurf von 1848 nach den Wünschen des Fürsten zu modifizie- ren.295 Das Parlament hoffte dabei, der Fürst werde nach den vorgenommenen Änderungen den Verfas- sungsentwurf in Bälde sanktionieren. Doch der Fürst wollte sich nach der politischen Entwicklung in den Staaten des Deutschen Bundes richten und diese Entwicklung zeigte in der Richtung nach rückwärts - in die Zeiten des Vormärz zurück. Die beiden führenden Staaten des Bundes, Öster- reich und Preussen, die sich sonst alles andere als gewogen waren, einigten sich rasch, als es darum ging, die Errungenschaften der Revolution von 1848 wieder rückgängig zu machen. Am 23. August 1851 fasste die Bundesversammlung den soge- nannten Reaktionsbeschluss, durch den in allen Bundesländern das monarchische Prinzip wieder eingeführt werden musste. Die Überprüfung der Verfassungen auf unerwünschte liberale und demo- kratische Elemente ergab auch für Liechtenstein Beanstandungen.296 Zwar hatte Fürst Alois am 7. März 1849 nur einen Teil des vom Verfassungsausschuss ausgearbeite- ten Verfassungsentwurfes in Kraft gesetzt, und dies auch nur für 1 Jahr, aber die Arbeit des Landrates vom Mai 1849 bis Februar 1850 war eine sehr fruchtbare gewesen. Die Bürger hatten durch ihre Einbeziehung in das politische Geschehen ein neues, seit der Zeit der Landamännerverfassung 
nicht mehr gekanntes Staatsbewusstsein entwik- kelt. Die Enttäuschung war daher gross, als nach Beendigung der ersten Sitzungsperiode am 14. Fe- bruar 1850 der Landrat nicht mehr einberufen wurde. Bei dieser letzten Sitzung hatten die Volks- vertreter noch den Landratsausschuss, bestehend aus Karl Schädler, Christoph Wanger und Franz Jos. Marxer gewählt.297 Dieser Ausschluss wurde auch vom Fürsten und von der Regierung noch anerkannt, doch blieb ihm nicht viel mehr zu tun, als die laufenden Geschäfte noch abzuschliessen. Durch den Reaktionserlass vom 20. Juli 1852298 setzte Fürst Alois II. in seinem Land die provisori- schen Verfassungsbestimmungen ausser Kraft und an deren Stelle trat wieder die ständische Verfas- sung von 1818, die eigentlich den Namen Verfas- sung gar nicht verdiente, da den darin vertretenen Ständen praktisch keine Rechte zustanden. Immer- hin blieben alle seit 1848 erlassenen Bestimmun- gen, ausser denjenigen des provisorischen Verfas- sungsentwurfes, in Kraft. Es herrschte zwar wieder der Absolutismus, doch in einer anderen, milde- ren Form als unter Fürst Johann I. Zwar ohne parlamentarische Beratungen, aber auf dem Wege der Verwaltung wurden verschiedene Neuerungen durchgeführt. So wurde die Entwässerung des Sumpflandes vorangetrieben, ein Waldkataster an- gelegt, das Schulwesen in einigen Punkten refor- miert, worunter die Eröffnung der ersten Realschu- le in Vaduz im Jahre 1858 von ganz besonderer Bedeutung war, und schliesslich der Verwaltungs- apparat leistungsfähiger gestaltet.299 Man erinnert sich, dass Karl Schädler in Frankfurt beim österreichischen Gesandten von Schmerling die Frage der Öffnung der Zollgrenzen Österreichs angeschnitten hatte,300 nachdem diese Öffnung schon in den Märzforderungen der Ausschüsse von 1848 enthalten gewesen war.301 Von Schmerling hatte Schädler damals geraten, der Fürst solle sich direkt an die Regierung in Wien wenden. Nachdem Schädler diesen Rat an Landesverweser Menzinger weitergeleitet hatte, drängte Menzinger den Für- sten, den empfohlenen Schritt in Wien zu unterneh- men. Doch erst anfangs des Jahres 1850 trat der Fürst in Verhandlungen mit dem österreichischen 64
	        

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