Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1991) (89)

LIECHTENSTEINER ÄRZTE DES 19. JAHRHUNDERTS RUDOLF RHEINBERGER dabei das Verlangen nach einer politischen Umge- staltung, der Ersetzung der alten ständischen, durch eine neue, freiere Verfassung, einer frei gewählten Volksvertretung sowie der Gemeindeau- tonomie.229 Aber auch nach Aufhebung der Feudal- lasten wurde gerufen. Am 7. April erfolgte die Antwort des Fürsten, in der er die Erfüllung der wichtigsten Forderungen zugestand. Trotz der mit Emotionen geladenen Atmosphäre jener Tage, kam es im Lande zu keinen grösseren Exzessen. Einzig der Fall des unbeliebten Kanzli- sten Langer machte von sich reden - und verstimm- te den Fürsten sehr.230 Langer wurde von einem Trupp junger Leute aus dem Amtshaus geholt und mit Trommeln und Pfeifen an die Grenze bei Feldkirch gebracht. Weiter geschah ihm aber nichts. Der ebenso verhasste Kontingentskomman- dant, Oberleutnant Blaudek hatte, um nicht ein ähnliches Schicksal wie Langer zu erleiden, schon vorher das Land verlassen und auch die übrigen fremden Beamten - ausser dem Landvogt - setzten sich vorübergehend über die Grenze ab. Aufgrund dieser Vorkommnisse wählten die Lan- desausschüsse am 16. April 1848 einen «Landessi- cherheitsausschuss» von neun Männern, zu dessen Präsident Peter Kaiser und als Vize-Präsident Dr. Karl Schädler bestimmt wurden.231 Solche Si- cherheitsausschüsse wurden daraufhin auch in den Gemeinden gewählt, um Ordnungsstörungen zu unterbinden.232 In jeder Gemeinde wurden auf je 100 Einwohner 5 Männer gewählt. Sie standen unter der Oberleitung des Vorstehers, dem auf je 10 Mann ein Führer zur Seite stand, der zur Kennzeichnung eine weisse Binde am linken Ober- arm trug.233 Damit aber hatte der Sicherheitsaus- schuss faktisch die Macht im Lande, mit ihr aber auch die Verantwortung übernommen.234 Der Vorfall mit Langer hatte eine nachhaltige Verärgerung des Fürsten zur Folge, so dass dieser sogar eine mit seiner Familie geplante Reise nach Liechtenstein absagte. Von Seiten der Ausschüsse wurde der Vorfall bedauert und am 2. Mai sandte Karl Schädler als Präsident des engeren Ausschus- ses235 eine 
ausgesprochene Missbilligung der Ent- fernung Langers an den Fürsten.236 
Die Ungehaltenheit des Fürsten legte sich aber bald und er machte schliesslich nochmals wesentliche Zusagen im Sinne der Petitionen des Landesaus- schusses. Der in einer Volkswahl am 25. April 1848 bestimm- te Vertreter Liechtensteins zur deutschen National- versammlung in Frankfurt war Peter Kaiser, sein Stellvertreter Dr. Karl Schädler. Die Wahl der bei- den erfolgte einstimmig. Peter Kaiser wurde am 14. Mai in Vaduz auf dem alten Gerichtsplatz, wo früher die Landamänner den Stab brachen, feier- lich verabschiedet.237 Damit wurde eine Arbeitsteilung zwischen Kaiser und Schädler eingeleitet. Während nun Peter Kaiser die Interessen des Liechtensteinischen Volkes in Frankfurt als «Landesrepräsentant» wahrnahm, 219) Golo Mann, Politische Entwicklung Europas und Amerikas 1815-1871, in Das 19. Jahrhundert, Berlin-Frankfurt-Wien 1960. 220) Jos. Ferd. Wolfinger, 1800-1876, Posthalter in Balzers. 221) Jos. Anton Rheinberger, 1801-1846, Advokat und Löwenwirt in Vaduz. Gymnasium in Feldkirch. Jus-Studium in Landshut und München bis 1828. Hörte bei J. Corres, «Teutsche Geschichte». FamARh HA 6, Zeugnisse etc. 222) A. Schädler, Die geschichtliche Entwicklung Liechtensteins, JbL 19. 223) Quaderer, S. 114/115. 224) Praxisjournal II, Fol. 511, Gemeindearchiv Vaduz. 225) Geiger, S. 52. 226) Geiger, S. 57 ff. 227) I.e. 228) I.e. 229) LLA RC 100/4. 230) FamARh, G 6, Geiger, S. 75 ff, Franz Büchel, Beiträge zur Geschichte 842-1942, Gemeinde Balzers, S. 209 ff. 231) Geiger, S. 78, Anm. 95. 232) Aufruf von Dr. Karl Schädler vom 17. 4. 1848, Geiger, S. 79, LLA Schädler-Akten 270. 233) LLA Schädler-Akten 270. 234) Geiger, S. 79. 235) Peter Kaiser war inzwischen zum Abgeordneten für die konsti- tuierende Versammlung in Frankfurt gewählt worden. 236) Geiger, S. 81, Anm. 106, LLA Schädler-Akten 277. 237) Geiger, S. 85. 55
	        

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