Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1991) (89)

war also wohl in erster Linie dafür gedacht, die ärztliche Basisbetreuung der Bevölkerung einer «Landschaft» sicherzustellen. Dies geht sehr deut- lich aus dem Vertrag Gebhard Schädlers mit dem Gericht der unteren Landschaft hervor, indem unter Punkt 2 des Vertrages der Vertragsarzt verpflichtet wird, in erster Linie die Einwohner der eigenen Landschaft vor andern zu behandeln, während er unter Punkt 3 gehalten ist, sich nicht ohne Wissen der Vorgesetzen von seinem Wohnorte zu entfernen. Es ist also ein Amt, das ursprünglich nur für jeweils eine der beiden Landschaften Vaduz und Schellen- berg gedacht war. Erst später war der Landschafts- arzt sowohl für das Oberland wie für das Unterland zuständig. Die Präsenzklausel erhielt ihre besonde- re Bedeutung zusätzlich, als die Ärzte im Lande begannen, auch Geburtshilfe zu betreiben. Dies war aber erst vom Beginn des 19. Jahrhunderts an der Fall (Gebhard Schädler). Der Landschaftsarzt war auch zuständig für die Be- handlung kranker Armer, wobei die Verrechnung dann über das Oberamt geschah. In Gesundheitsfra- gen diente er den Behörden als Berater, während er in gerichtlichen Dingen als Sachverständiger fun- gierte. In schwierigen Kriminalfällen, bei Obduktio- nen etc. wurde ein Amtsarzt aus der Nachbarschaft beigezogen. Ein Gesuch Gebhard Schädlers im Jahre 1833 um Nachlass des Mietzinses134 wurde trotz Befürwor- tung durch Landvogt Pokorny von Wien abgewie- sen.135 Im Jahr 1836 wurde die obere Wohnung aufgekündigt, da sie als Quartier für den Amts- schreiber vorgesehen war.13'' Doch für Schädler war es nicht schwer, seinen dringenden Raumbedarf nachzuweisen und so wurde der Amtsschreiber an- derweitig untergebracht und die Kündigung zurück- gezogen. Im Gefolge der Aufklärung wurde im Jahre 1820 die «Ärztliche Gesellschaft des Kantons Graubünden» ins Leben gerufen. Andere Ärztevereinigungen gab es damals in der Umgebung Liechtensteins nicht. Der Ärzteverein Werdenberg-Sargans wurde erst im Jahre 1863 gegründet,137 da die Arztdichte im Rheintal bis dahin sehr gering war. Das benachbarte Vorarlberg aber unterstand den Gesetzen Metter-nichs, 
welche derartige Standesvereinigungen nicht duldeten. Erst das 1860 erlassene «Oktoberdiplom» machte in Österreich den Weg frei für die Gründung des «Vereins Vorarlbergischer Ärzte» im Jahre 1862.138 Gebhard Schädler trat der «Ärztlichen Gesellschaft des Kantons Graubünden» noch im Gründungsjahr 1820 bei. Mitglieder dieser Vereinigung konnten Ärzte aus Graubünden, dem Fürstentum Liechten- stein und dem «Grenzort» Ragaz werden. Die in der Gesellschaft zusammengeschlossenen Ärzte ver- sammelten sich ein- bis zweimal jährlich, meist in Chur, gelegentlich aber auch in Zizers oder Thusis ganztägig. Diese Versammlungen dienten neben der Erledigung der Vereinsgeschäfte hauptsächlich der wissenschaftlichen Fortbildung. Der Zweck wird in der «Verfassung der medicinischen Gesellschaft in Graubünden»139 folgendermassen umschrieben: «Wissenschaftliche Beförderung der (ärztlichen) Kunst durch kollegialische Vereinigung der Kräfte, verbunden mit dem Streben, medicinische Aufklä- rung im Vaterlande überhaupt zu verbreiten.» Jeder Arzt hatte nach einem Turnus über ein medizi- nisch-wissenschaftliches Thema zu referieren.140 Aus dem Vereinsprotokoll geht hervor, dass Jos. Gebhard Schädler ein sehr eifriges Mitglied der Ver- einigung war und - wenigstens in den ersten 10 Jahren - regelmässig mit wissenschaftlichen Vor- trägen präsent war. Seine Themenwahl war weit gestreut und gründete sich immer auf eigene Beob- achtungen. So hielt er Referate über «Schwanger- schaftsvorsorge» (1821), über den «Milzbrand bei Pferden und Hornvieh im Fürstenthum Liechten- stein» (1822), über «Carbunkel beim Menschen» (1823), «die Wirkung des schwarzen Caffees mit Opium» (1825), über «Somnambulismus» (1826), die «Geschichte einer pemphigus-Familie141 in Se- velen, im Canton St. Gallen» (1828), «Beobachtung über eine sehr frühe Menstruation eines Mädchens von 7 Jahren und 5 Monaten (1829), «Vergiftung d. colchici autumnalis» (1830), und über «einen durch Steinwurf in die Lebergegend getödeten Knaben» (1831). Von diesen Referaten scheint dasjenige über den Milzbrand bei Pferden und Hornvieh als beson- ders wertvoll angesehen worden zu sein, denn es 42
	        

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