Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1991) (89)

eine nicht näher bestimmbare Anzahl ungeimpfter Kinder, und diese vvurden nun auf Anordnung des Oberamtes nachgeimpft. Liechtenstein darf sich rühmen, durch die frühe Einführung des Impfzwanges mit dazu beigetragen zu haben, dass die Pockenseuche bis gegen Ende des 
19. Jahrhunderts in Europa fast ganz ausgerot- tet wurde. Zuletzt sind in unserer Gegend noch eini- ge sporadische Fälle in Liechtenstein selbst und in Feidkirch im Jahr 1885 aufgetreten.115 Weltweit blieben aber die gewaltigen Reservoire dieser tödlichen Krankheit in Indien und Afrika be- stehen, weil die Voraussetzungen für eine Durch- impfung der ganzen Bevölkerung einfach fehlten. Noch im Jahre 
1967 schätzte man die Zahl der Pockenkranken in der ganzen Welt auf jährlich 15 i'vlillionen und jene der tödlich verlaufenen Fälle auf jährlich 2 
ivlillionen. Erst die grosse Impfkam- pagne116 der Weltgesundheitsorganisation (WI-10), die im Jahr 
196 7 eingeleitet wurde und sich beson- ders auf den Subkontinent Indien und auf Afrika konzentrierte, führte zur gänzlichen Ausrottung der Pocken. Im Mai 1980 konnte die WHO den Sieg über diese Krankheit bekannt geben. PRAXIS IN VADUZ, KRANKHEIT, RESIGNATION Nach der Übersiedlung Gebhard Schäcllers nach Vaduz im Jahre 1809 war er für mehrere Jahre der einzige praktizierende Arzt im Lande und seine Praxis muss entsprechend gross gewesen sein. Der Praxisalltag spannte sich für Schädler von der Behandlung banaler Erkrankungen über die da- mals grassierende Schwindsucht117, die kleine und mittlere Chirurgie bis hin zur Schwangerenfürsorge und Geburtshilfe. Als Physikus oblagen ihm zusätzlich die Durchfüh- rung der Pockenschutzimpfung im ganzen Lande sowie die «Abrichtung» der Hebammen.118 Dazu kamen die Musterungsuntersuchungen für das i'vlili- tär119 sowie die anfallenden amts-und gerichtsärzt- lichen Obliegenheiten. Einen besonderen Aspekt innerhalb der geburtshilfliehen Tätigkeit in jener 
LIECHTENSTEINER ARZTE DES 19. JAHRHUNDERTS RUDOLF RHEINSERGEH 
----- Zeit bieten die Nottaufen, 
120 die vom Arzt oder der Hebamme ausgeführt wurden. Dem schon erwähn- ten Büchlein «Einleitung in eine wahre und gegrün- dete Hebammenkunst»121 aus der Bibliothek Geb- hard Schädiers ist ein gedruckter Erlass des Wiener erzbischöflichen Consistoriums vom Jahre 
1769 beigeheftet, der den Hebammen und Geburtshel- fern die Nottaufe zur Gewissenspflicht macht und auch genaue Anweisungen dazu für jeden erdenkli- chen Fall gibt. Dieser Erlass ist unterzeichnet mit «Franc. Anton. Episcop.», bei dem es sich um keinen anderen handelt, als um den gebürtigen lOS) 
l.c. Die Impfung wurde von vielen als gefährlich tmd tmnötig angesehen. 109) LLA. RB G7. Zu Franz Josef Schlegel siehe auch Engelben Bucher. Familienchronik. Band 7. S. 90/91 sowie Quaderer JbL 70. S. 86/87/921102. sowie unten S. 106-107. 110) Schuppler an die Gerichte Balzers. Triesen. Triesenberg 1812. LLA. RB G7. 111) I. 
c. 112) i'vleldung des Landschaftsarztes Schädler vom 7. Februar 1825. 113) Schuppler an die Geistlichkeit 28. April 1825. LLA. RB G7. 114) LLA 
RB G7. Nr. 131. 115) BriefD. Hheinbergcrs vom 24. 2. 1885. Jos. Rheinberger- Archiv. 116) H. 
Rheinberger. Gebhard Schädler. JbL 76. S. 337 ff. 117) Als <<Schwindsucht>> bezeichnete man die Tuberkulose. 118) Für die Unterrichtung der Hebammen scheint ihm das in seiner Bibliothek vorhandene Büchlein <<Einleitung in eine wahre w1d gegründete Hebammenkunst>> von Heinr. Joh. Nepomuk Crantz. Innsbruck. 1770. gedient zu haben. Siehe auch Karlheinz Albrecht. Die medizinische Bibliothek der Arztfamilie Schädler. S. 119. Neuerdings ist mir durch Herrn Pfarrer E. Bucherein weiteres <<Hebammenbüchlein» bekannt geworden. das aus dem Besitze Gebhard SchäcHers stammt: <<Leitfaden zum Unterricht für Hebam- men und ihre Lehrer. Durch den Sanitätsrat des Cantons Thurgäu zum Druck befördert. 1807>>. Es 
trägt auf der ersten Seite den bekannten Namenszug Gebhard Schäcllers und hat wohl nach seinem Erscheinen 1807 den alten lnnsbrucker <<Leitfaden>> vom Jahre 1770 abgelöst. 119) Arztliehe Zeugnisse. LLA SB C4. 120) Herr Geistlicher Rat Engelben Bucher hat mich auf diesen Punkt hingewiesen und er nahm sich in dankenswerter Weise auch die ~Hihe. 
aus dem Taufbuch <<Liber Baptizorum 1769-1906>> von Triesenberg eine Liste der :{4 
im 19. Jahrhundert von Arztcn notgetauften Kindern zusammenzustellen. 121) Siehe auch Karlheinz Al brecht. Die medizinische Bibliothek der Arztfamilie Schädler. S. 119. 39
	        

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.