Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1991) (89)

DIE JÜDISCHE GEMEINDE AM ESCHNERBERG KARL HEINZ BURMEISTER Die Existenz einer jüdischen Gemeinde am Eschnerberg ist bis heute in den Details weitgehend unbekannt geblieben. Die wichtigsten Tatsachen hat Erwin Poeschel im Abschnitt der Kunstdenkmä- ler über Mauren festgehalten: «Der westliche Teil, das sogenannte «Freiendorf», trägt auch den Namen «Judengasse», der auf eine in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts erfolgte Ansiedlung von Judensippen, die als Hintersässer hier lebten und eine eigene Gemeinschaft bildeten, zurückzuführen ist.»1 Auch Eugen Schafhauser hat in seiner Mono- graphie «Liechtensteins Eschnerberg» (1959) auf Spuren dieser Gemeinde hingewiesen, ohne sie allerdings wirklich greifen zu können: «Auffallend ist immerhin die Benennung des östlich der Ort- schaft Eschen gelegenen Hügels als «Judenbüchel». Schlugen etwa dort, in der Nähe (Maurer Judengas- se) die Juden ihre Zelte auf? Sie trieben ja auch nebenher mit Vorliebe das Geldgeschäft. Auf- schlussreich wirkt hierbei die Post «Judenschulden» in der Rentamtsrechnung von 1786V Näher an die Judengemeinde am Eschnerberg kam Johann Baptist Büchel (1938), als er auf «Einige Streitfälle mit den in Mauren ansässigen Juden» im Rahmen seines Aufsatzes «Auszüge aus Protokollen des Hofgerichts der Grafschaft Vaduz aus der Zeit der Hohenemser Grafen. Ein Beitrag zur Kulturge- schichte des 17. Jahrhunderts» hinwies.1 Noch deutlicher hat Aron Tänzer in seinem Buch «Die Geschichte der Juden in Hohenems» (1905) auf diese Gemeinde hingewiesen; er zitiert ein Ver- zeichnis der Schulden, 
so die Juden am Eschnerberg in den Graf- und Herrschaften Embss, Vadutz und Schellenberg haben».,4 Tänzer datiert dieses Schul- denverzeichnis auf ca. 1640; richtiger wäre wohl ca. 1649.5 Das Schriftstück befand sich im Privat- besitz Tänzers, der 1937 als Rabbiner von Göp- pingen verstorben ist.1' Durch seine Familie, die durch die nationalsozialistische Verfolgung zur Aus- wanderung gezwungen war, gelangte das Doku- ment in die Vereinigten Staaten. Dank des Entge- genkommens von Herrn Erwin Tänzer in Lexington (Mass.) konnte das Schriftstück 1988 vom Vorarl- berger Landesarchiv als Geschenk erworben wer-den,7 
nachdem es viele Jahre für die Forschung verschollen war. Der Erwerb dieses Dokuments hat dazu geführt, die Frage nach den Juden am Eschnerberg erneut aufzurollen. Die in der Schuldenliste von 1649 erwähnten «Juden am Eschnerberg» lassen sich in den histori- schen Quellen häufig belegen. Erstmals werden sie am 27. Oktober 1639 erwähnt. Stadtammann und Rat zu Feldkirch beschweren sich bei der Erzherzo- gin Claudia in Innsbruck 
über «die in der herrschaft Schellenberg sich aufhaltende Judenschaft». Ob- wohl die Juden zuvor ausgeschafft worden seien, durchstreiften 
sie «alle vmligente orth und herr- schafften sogar auch in der herrschafft Veldt- khürch.»* Dort überall pflegten 
sie «vngezimbte hochschedliche auffkhauff und Verfürungen der Victualien»' zu verüben. Am 15. November 1639 schickte die Regierung die Rechtfertigung 
des Gra- fen Kaspar von Hohenems «wegen aufgenomner Juden in seiner herrschafft Schellenberg» zur Stel- lungnahme.'" Am 13. November 1639 ist erneut die 1) Erwin Poeschel, Die Kunstdenkmäler des Fürstentums Liechten- stein, Basel 1950, S. 256. 2) Eugen Schafhauser, Liechtensteins Eschnerberg, Im Schatten von fünf Jahrtausenden, Eine Landschaftsgeschichte - ein Heimatbuch, St. Gallen 1959, S. 189. 3) In: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechten- stein 38, 1938, S. 107-149 (hier besonders S. 147-149). 4) Aron Tänzer, Die Geschichte der Juden in Hohenems. Meran 1905 (Nachdruck Bregenz 1982), S. 29, Anm. 2. 5) Terminus ante quem ist die Erwähnung des Buchdruckers Bartho- lomäus Schnell in den gleichzeitig erstellten Schuldenlisten der Hohen- emser Juden; Schnell ist 1649 gestorben, wird aber noch als lebend aufgeführt. Die Schuldenliste dürfte in einem unmittelbaren Zusam- menhang stehen mit dem Arrest auf die Judenschulden und dem Prozess vom 19. Juli 1650. Zugleich könnte auch ein Zusammenhang mit der Ausweisung der Juden aus der Herrschaft Schellenberg bestehen, die datumsmässig nicht feststellbar ist, aber jedenfalls vor dem 19. Juli 1650 erfolgte. 6) Ober ihn vgl. Karl Heinz Burmeister, Rabbiner Dr. Aron Tänzer, Gelehrter und Menschenfreund, 1871-1937 (= Schriften des Vorarl- berger Landesarchiv, 3.). Bregenz 1987. 7) Vorarlberger Landesarchiv, HoA Sch. 298, Fase. 1, sub dato. 8) Tiroler l.andesarchiv. Buch Walgau Bd. 14, Fol. 36'. 9) Ebenda. Fol. 36'. 10) Ebenda, Fol. 38\ 157
	        

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