Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1991) (89)

PETER KAISER UND SEIN WIRKEN IN GRAUBÜNDEN MARTIN BUNDI zu wachen»; zudem sollte der Bischof bei der Wahl des Rektors durch den Schulrat die «Admission» geben.27 Diese Bestimmungen hatten für Kaiser persönliche Folgen. Zwar wurde er als Professor mit den übrigen Lehrern von Disentis gewählt. Seine Wahl als Rektor hingegen wurde auf Einsprache des bischöflichen Abgeordneten vorläufig verschoben. Dieser hatte sich gegen Kaiser nicht nur in seiner Eigenschaft als Rektor, sondern auch in jener als Lehrer, gestützt auf die Artikel zwei und vier des «Einverständnisses», auftragsgemäss verwahrt.28 Offenbar hegte die Kurie Zweifel an der Lauterkeit der Lehre und der Sitten in Kaisers Erziehungs- und Unterrichtstätigkeit! Der katholische Schulrat be- harrte auf der Wahl von Peter Kaiser als Rektor, einem in jeder Hinsicht tüchtigen Lehrer, dem bis zur Stunde auch 
nicht eine Tatsache angeführt worden sei, warum er nicht tragbar wäre; er wies ferner ein Zeugnis des Abtes Adalgott von Disentis vor, der sich über die christlich-katholischen Grundsätze und die sittsame Aufführung Kaisers mit grösster Anerkennung aussprach. Die hartnäk- kig unnachgiebige Haltung der Kurie führte schliesslich - nicht zuletzt dank der Gelassenheit Kaisers selbst - zur Wahl von Professor Klinkhart als Rektor, dem dann aber 1848 Peter Kaiser nachfolgte. Zweimal war demnach Peter Kaiser passiert, dass er als Rektor abgewählt oder nicht mehr bestätigt wurde: 1835 in Aarau, weil er angeblich zu wenig radikal war, 1842 in Chur, weil er angeblich zu fortschrittlich war! Diese Vorgänge bestätigen, dass Kaiser als eine Person der Mitte zu situieren ist.29 Diese Situation war nicht gefeit vor Konflikten und persönlichen Rückschlägen. Sie prädestinierte ihn auch nicht unbedingt für politische Mandate und Aktivitäten. So fühlte er sich denn vom stürmischen Leben im Frankfurter Parlament von 1848, wohin ihn sein Heimatland Liechtenstein entsandte, eher enttäuscht und kehrte bald wieder zu seiner Lehrtä- tigkeit zurück.'50 Die grösste Genugtuung verschaffte Peter Kaiser sein Wirken an der seit 1850 vereinigten Bündner Kantonsschule. Als Person, die insbesondere in den 
interkonfessionellen Verhältnissen einen mässigen- den Einfluss ausübte, war Kaiser weitherum be- kannt und geachtet. So war er der geeignete Mann, um die neue Landesschule neben dem toleranten reformierten Rektor Schällibaum als Vizedirektor oder Konrektor zu leiten. Dazu amtete er als Hauptlehrer der Seminarzöglinge. Abschliessend kann festgestellt werden, dass Kai- sers Geist der Mässigung sowohl in konfessioneller als auch in politischer Hinsicht in Graubünden segensreiche Auswirkungen gezeitigt hat. Im Jahre 1848 hat die Cadi, der rein katholische und konser- vative obere Teil des Oberlandes, mehrheitlich die neue Bundesverfassung gutgeheissen. Das ist keine Selbstverständlichkeit. Voraussetzung dafür war eine breitausgelegte, von Toleranz geprägter Auf- klärungsarbeit gewesen, insbesondere gegenüber der Jugend. Hier hat Kaiser durch seinen erzieheri- schen Einfluss in Disentis wohl einen bedeutsamen 22) Das Programm der Aargauischen Kantonsschule von 1831, von Peter Kaiser verfasst, nennt ihn als Professor und derzeit Rektor. 23) Im Programm der katholischen Kantonsschule von 1839 hielt Kaiser folgendes fest: «Aber sie (die Schule) orfreut sich der wohlwol- lenden Theilnahme und Achtung aller edlen und gutgesinnten Männer des Kantons ohne Unterschied der Confession. Es gebührt daher Dank und Anerkennung den Männern, durch deren Eifer für unsere Jugendbildung und Beharrlichkeit die Schule gegründet worden, und nicht minder dem löblichen Schulrath für die treue Sorgfalt und Umsicht, womit er sich der Leitung der Schule unterzieht. Auch darf nicht mit Stillschweigen übergangen werden, dass der hochwürdige Abt des hiesigen Gotteshauses stets warmen Antheil an der Bildung der Jugend genommen und seine Zufriedenheit mit der sittlichen Haltung derselben zu erkennen gegeben hat.» S. 23/24 24) Programm der katholischen Kantonsschule Disentis 1839, S. 23 25) Programm der katholischen Kantonsschule Disentis 1840, S. 21 26) Pieth, Bündnergeschichte, S. 383 27) Bazzigher, Geschichte der Kantonsschulc, S. 71 28) Bazzigher, Geschichte der Kantonsschule, S. 73 29) Bazzigher, Geschichte der Kantonsschule, S. 105. «Seine Mässi- gung kostete ihn 1835 seine Stellung an der Aarauer Kantonsschule, weil er den dortigen Radikalen als ein Römling galt, während andererseits die Kurie an der katholischen Kantonsschule (Chur) Einsprache erhob.» 30) Gemäss Kind, Peter Kaiser 1793-1864, S. 32, erhielt Kaiser von Chur aus keinen Arbeitsurlaub und konnte deshalb nicht mehr nach Frankfurt zurückkehren. 149
	        

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