Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1990) (88)

DAS HAUS LIECHTENSTEIN IN DER DEUTSCHEN LITERATUR / GRAHAM MARTIN Heinrich IL URK. 1265-1314 Der jüngste Sohn Heinrichs I. von Liechtenstein, Heinrich IL, war auch ein Stammvater des Fürsten- hauses und genoss, gleich seinem Vater, den Ruf als Krieger und treuer Anhänger des damaligen öster- reichischen Landesherrn. Wie schon oben erwähnt (siehe den vorhergehenden Abschnitt), wird seine Gestalt bei deren wichtigsten literarischen Darstellung, nämlich in Grillparzers König Ottokars Glück und Ende, mit derjenigen sei- nes gleichnamigen Vaters verschmolzen. Der Grund dafür geht wohl auf Grillparzers Hauptquelle, die ca. 1307-1318 verfasste Reimchronik Ottokars aus der Geul zurück.24 Hier kommt «her Heinrich von Liech- tenstein» mehrmals vor, aber je nach dem Zeitpunkt der Begebenheiten muss es sich zunächst um den Vater, dann um den Sohn handeln. Es scheint wohl möglich, dass Grillparzer darüber hinaus mit der kurz vor der Abfassung seines Dramas erschienenen Abhandlung des Freiherrn Josef von Hormayr über die Geschichte des Hauses Liechtenstein vertraut war, in der der Verfasser wohl von Vater und Sohn namens Heinrich spricht, aber er lässt Heinrich I. ausdrücklich erst nach der Marchfeldschlacht ster- ben.25 In Ottokar wird Heinrich von Liechtenstein bei seinem zweiten Auftritt neben anderen österreichi- schen Rittern von König Ottokar verhaftet (II, 1263 ff.). Dieses Ereignis wird nicht von Falke in seiner Geschichte des Fürstenhauses erwähnt, aber mehrere literaturwissenschaftliche Werke, die die- ses Stück behandeln, beziehen sich auf diese Bege- benheit und geben 1268 oder 1269 als Jahr an.21' Also muss es sich historisch nunmehr um Hein- rich II. handeln, da Heinrich I. bekanntlich 1265 oder 1266 starb. Gegen das Ende der Handlung hin, im fünften Auf- zug des Dramas, wird die Schlacht auf dem March- feld bei Dürnkrüt (1278) geschildert. Hier spielt Heinrich von Liechtenstein eine auffällige, obgleich noch immer nebengeordnete Rolle. Kaiser Rudolf übergibt das österreichische Panier Konrad Haslau, einem greisen Ritter, und erteilt Heinrich von Liech- tenstein folgenden ehrenvollen Auftrag: Ihr bleibt ihm nah, Herr Heinrich Lichtenstein 
Und wahrt des Manns und dessen, was er trägt. (2739-40) Darauf folgt der schon zitierte Ausspruch über das Geschlecht Liechtenstein als Schützer Rudolfs (bzw. der österreichischen Monarchie) (siehe den Ab- schnitt «Das Geschlecht Liechtenstein» oben). Bei seinem nächsten Auftritt hat Heinrich die ange- nehme Aufgabe, den Sieg der Österreicher zu ver- künden. Seine führende Rolle in der Schlacht wird durch eine Bühnenanweisung angedeutet: (Heinrich von Lichtenstein tritt mit einer Schar, verfolgend, [...] auf [...], das Banner von Österreich in der Hand.) (2928) Bald danach ruft er aus: «Sieg, Sieg! Die Feinde fliehn! Hoch Österreich!» (2933).27 Grillparzers König Ottokar ist bei weitem das bedeu- tendste von mehreren Werken zum Thema Rudolf von Habsburg / Ottokar von Böhmen, die um das Ende des 18. Jahrhunderts und den Anfang des 19. Jahrhunderts entstanden. Ein weniger bekann- tes ist Rudolph von Habsburg, eine «heroische Oper» von Karoline Pichler (Erstveröffentlichung 1818).2S 22) Matthäus von Collin. 1779-1824. in Wien tätig, liier benützte Ausgabe: M. von Collin. Dramatische Dichtungen, verlegt bei Konrad Adolph Ilartleben. 1. Bd.. Pest 1813. 23) Siehe Anm. 2; S. 27-30 (hier S. 28). 24) Ottokars österreichische Reimchronik, hrsg. von Joseph Seemül- ler. Monumenta Germaniae Historica: Deutsche Chroniken u. andere Geschichtsbücher des Mittelalters, 5. Bd., 1. Tl.. Hannover 1890. 25) Die Lichtensteine (in der Reihe «Ahnen-Tafeln»), Taschenbuch für die vaterländische Geschichte (Wien), hrsg. von den Freiherren von Hormayr und von Mednyansky, 3. Jg., 1822, S. 1-90; hier S. 55. Der Beitrag erschien anonym, aber der Mitherausgeber I lormayr wird als Autor angenommen (vgl. Falke. I, S. 3, Anm. 1). 26) Vgl. Alfred Klaar. König Ottokars Glück und Hnde. Eine Untersu- chung über die Quellen der Grillparzer'schen Tragödie. Leipzig 1885, S. 21; Karl Pörnbacher (Hrsg.), Franz Grillparzer. König Ottokars Glück und Ende. Erläuterungen und Dokumente. Stuttgart 1969, S. 41. 27) Der Ausruf Heinrichs «Die Feinde fliehen!» findet sich auch bei Hormayrs Darstellung (s. Anm. 25. loc. cit ). 28) Enthalten in: Caroline Pichler, Neue dramatische Dichtungen, Anton Pichler. Wien 1818. 91
	        

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