Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1990) (88)

LIECHTENSTEIN IM JAHRE 1938 PETER GEIGER Liechtenstein zu Beginn des Jahres 1938 Volksschule Nendeln, obe- re Klassen im Frühjahr 1938 (mit Lehrer Lorenz Eberle). Fast die Hälfte der Schulkinder tragen die 1937 geschaffene, von der Regierung subventionierte liechtensteinische «Schü- ler-Einheitskleidung» (Mädchen mit karierter Bluse, Knaben mit dunk- lem Krageneinsatz), sie sollte den Schneiderinnen und Schneidern in der Kri- se Verdienst schaffen. WIRTSCHAFTLICHE UND SOZIALE KRISE Liechtenstein rang seit Jahren schwer mit der Wirt- schaftskrise. Von den gut 10000 Einwohnern waren in den wenigen Fabrikbetrieben knapp 500 Arbeits- kräfte beschäftigt/ weit weniger als vor dem Ersten Weltkrieg. Die Landwirtschaft, Hauptzweig der Wirtschaft, litt seit Jahren unter tiefen Preisen und Absatzstockung für das Vieh. Es gab 17 Traktoren im Land.4 Ein grosser Teil der Bevölkerung arbeitete in der eigenen Kleinlandwirtschaft, wobei die Män- ner zugleich als Bauarbeiter Saisonbeschäftigung suchten. Das Gewerbe war flau. Einige Gasthöfe und Alpenkurhäuser zogen Fremdenverkehr an. Die Schweiz, deren Zollgebiet Liechtenstein seit eineinhalb Jahrzehnten angeschlossen war, ver- schloss sich zusehends. Für Saisonarbeiter gab es kaum mehr Stellen in der Schweiz, liechtensteini- schem Zuchtvieh verweigerte man die helvetische Ohrenmarke und liechtensteinischen Produkten das Armbrustzeichen. Das Arbeitsamt verzeichnete 1938 3124 Arbeitssu- chende,5 überwiegend Männer, statistisch weit über die Hälfte der erwerbsfähigen Männer. Auch wenn 
sich manche mehrmals meldeten, wird deutlich, in welchem Ausmass Verdienst fehlte. Auch Absolven- ten von Berufslehren, Handelsschulen oder Lehrer- seminarien hatten geringe Stellenaussichten. Nun war freilich der Staat in der Lage, Arbeit zu schaffen. Liechtenstein hatte nämlich seit dem Er- sten Weltkrieg besondere Staatseinnahmen zu er- schliessen verstanden. Die Zollpauschale von der Schweiz, der Briefmarkenverkauf, die Gesellschafts- steuern, Taxen, Stempel- und Couponsteuern und die Alkoholsteuer erbrachten 1937 mit gut 2 Vi Mil- lionen Franken praktisch die gesamten Landesein- nahmen.6 Von den Gesellschaftssteuern floss ein Teil an die Gemeinden weiter. Daneben verschafften sich 3) Am 16. September 1937 zählte man in Liechtenstein in 11 Fabrik- betrieben 482 Arbeitskräfte, nämlich 349 weibliche und 133 männli- che; von den 11 Betrieben hatten 6 weniger als 10 Arbeitskräfte. LLA RF 176/222 (LLA = Liechtensteinisches Landesarchiv in Vaduz). 4) Rechenschaftsbericht 1938. S. 39. 5) Ebenda. S. 116. 6) Landesrechnung 1937 im Rechenschaftsbericht 1937. 5
	        

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