Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1990) (88)

RECHENSCHAFTSBERICHT DES LANDESVERWESERS CARL VON IN DER MAUR VORBEMERKUNG Wenn die Bevölkerung, auf welche sich dieser Be- richt bezieht, charakterisiert werden soll, so kann mancher guter Eigenschaften gedacht, es muß aber auch eine Reihe schlechter Eigenschaften erwähnt werden. Zu den guten Eigenschaften zählen durchschnittlich eine gewisse natürliche Intelligenz, Fleiß, Genüg- samkeit, Sparsinn und Achtung vor fremdem Eigen- thum. Demgegenüber ist ein zum Theile wohl auf das bestehende Schwärzerunwesen zurückzufüh- render bedauerlicher Zug von Unaufrichtigkeit wahrzunehmen und Hand in Hand damit gehen: Bosheit, Hartnäckigkeit und als historisches Ergeb- niß des vormals bestandenen Pauperismus nament- lich Neid und Scheelsucht, welche dem Nebenmen- schen Alles mißgönnt und kein gutes Haar an ihm läßt, daher Anerkennung fremden Vorzuges und Dankbarkeit hier selten anzutreffende Tugenden sind, wogegen Unzufriedenheit, eine in absprechen- der Kritik über alles Mögliche sich kundgebende übertriebene Meinung der eigenen Bedeutung, so- wie Unzugänglichkeit gegen die wohlgemeintesten Belehrungen gar häufig vorkommen. Aus jahrhundertelanger Absonderung hat sich bei den Liechtensteinern eine namentlich die Nichtein- heimischen sehr peinlich berührende Eigenschaft entwickelt, nämlich der Fremdenhaß, welcher in den einzelnen Dörfern übrigens nicht nur die Aus- länder, sondern fast ebensosehr auch jene Landes- angehörigen trifft, welche in dem Dorfe nicht hei- matberechtigt sind, daher auch die Wahrnehmung, dass insbesondere die Bewohner der Nachbardörfer einander spinnefeind sind und sich das Schlechteste nachsagen und zumuthen. Die vielen Liechtensteiner, welche im Auslande Ver- dienste finden, bilden, nach Liechtenstein zurückge- kehrt, meistens kein angenehmes Bevölkerungsele- ment, abgesehen davon, dass nicht immer gerade die Besten fortziehen; sie eignen sich häufig eher schlechte als gute Eigenschaften an und glauben nun in der Heimat als Vielgereiste imponieren zu müssen, bringen auch etwa socialdemokratische Ideen mit und suchen selbe zu propagiren. 
Die elterliche Zucht steht auf einer niedrigen Stufe. Die Kinder werden von frühester Jugend an sich selbst überlassen und nun soll die Schule Alles bes- sern, wobei dieselbe aber kaum irgendwo weniger auf die Unterstützung der Eltern rechnen kann, als hier. Ein hervorstechendes Nationalübel der Liechtenstei- ner ist die Unreinlichkeit - ebenso am eigenen Kör- per als in Wohnung und Stall; dieses Übel ist fast nicht zu bannen und sitzt tief in den Gewohnheiten der Bevölkerung. Gemahnt dieß daran, dass die Bevölkerung nicht rein deutschen sondern rhätoromanischen Ursprun- ges ist, so erinnert auch eine andere Eigenschaft an diesen Ursprung - es ist der unversöhnliche Haß, mit dem sich die Leute, einmal in Feindschaft gera- then, begegnen, mögen es auch die nächsten Ver- wandten sein. Im Allgemeinen stehen die Männer, soweit sie nicht von der immer mehr überhandnehmenden Schnapspest ergriffen sind, höher als der weibliche Theil der Bevölkerung und steht die Bevölkerung des Oberlandes mit geringen Ausnahmen höher als jene des Unterlandes. Die Gesammtbevölkerung steht aber - mindestens in Bezug auf Betriebsamkeit - sowohl der Bevölkerung von Vorarlberg als auch jener des benachbarten schweizerischen Bezirkes Werdenberg nach. Die Zahl charakterfester, ordnungsliebender und verläßlicher Leute ist verhältnismäßig gering und leider fortwährend in der Abnahme begriffen, eine nach meiner festen Überzeugung unbestreitbare Folge der Befreiung vom Militärdienste und des hie- durch entzogenen vornehmsten Volkserziehungs- mittels, welches wie wohl kein anderes geeignet ist, den Geist der Ordnung und Gesetzlichkeit zu ver- breiten und zu befestigen. So wird der materielle Vortheil der Befreiung vom Militärdienste mit einer ganz erheblichen morali- schen Einbuße erkauft. Für die den Gegenstand unabläßiger 
Obsorge Hue- rer Durchlaucht bildende Hebung des Wohles dieser Bevölkerung war von meinem Amtsvorgänger sehr viel gethan worden und die Spuren seiner in den letzten Jahren der Aktivität leider durch Krankheit 45
	        

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