Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1990) (88)

RECHENSCHAFTSBERICHT DES LANDESVERWESERS CARL VON IN DER MAUR / PAUL VOGT erstattung über die Tätigkeit der Regierung und der Verwaltungsbehörden hinaus, indem er z.B. den Volkscharakter, die Ausbildung der Lehrer oder die kirchlichen Verhältnisse beschrieb. In manchen Passagen wird man an den alten «Polizei»-Begriff erinnert: «Polizei» bedeutete bis ins 18. Jahrhun- dert in einem umfassenden Sinne «gute Ordnung», für die sich die Obrigkeit verantwortlich fühlte. In ähnlicher Weise fühlte sich auch In der Maur für die «gute Ordnung» verantwortlich - auch in Bereichen, in denen der Staat nicht von Gesetzes wegen einen Handlungsauftrag hatte. Der vertrauliche Charakter des Berichts erlaubte es von In der Maur, offen über bestehende Probleme zu berichten. Wäre der Bericht für die Öffentlichkeit bestimmt gewesen, so hätten manche Probleme überhaupt nicht erwähnt werden können oder hät- ten zumindest sehr zurückhaltend formuliert wer- den müssen. Diese Offenheit macht den Bericht le- senswert, gelegentlich auch amüsant. Carl von In der Maur lässt immer wieder Urteile und Bewertungen in seine Ausführungen einfliessen, die ein atmosphärisches Bild dieser Zeit vermitteln. Selbstverständlich dürfen solche Wertungen des Landesverwesers nicht einfach als objektives Urteil einer hochangesehenen Persönlichkeit übernom- men werden. Umgekehrt verdirbt es den Spass am Lesen, wenn man sich über die bissigen Bemerkun- gen über den angeblich schlechten liechtensteini- schen Volkscharakter, über die geistige Überlegen- heit der Männer in bezug auf das andere Geschlecht, über die abschätzige Beurteilung der Gemeindebe- hörden usw. ärgert. Auffallend ist auch, dass der Landesverweser über keinen einzigen Liechtenstei- ner etwas Positives zu berichten weiss. Im Bericht werden zwar keine Personen namentlich genannt, doch fällt es leicht, die gemeinten Personen zu iden- tifizieren. Urteile über Liechtensteiner (Lehrer, Lan- desphysikus, Landestierarzt und zum Teil auch Prie- ster) fallen stets negativ aus, Urteile über die auslän- dischen fürstlichen Beamten (Landeskassenverwal- ter, Forstamtsleiter) hingegen positiv. Äusserungen dieser Art sind Ausdruck der Geistes- haltung eines aristokratischen österreichischen Be- amten, der in den Bürgern noch immer die dummen 
Bauern sah, die sich oft gegen jeden vernünftigen Fortschritt wehrten und deshalb gelegentlich dazu gezwungen werden mussten. Der Bericht ist flüssig geschrieben und leicht lesbar. Dies erlaubt es, den Text originalgetreu wiederzuge- ben. Die Orthographie wurde buchstabengetreu übernommen, lediglich eindeutige Schreibfehler, die auf ein Versehen zurückzuführen sind, wurden still- schweigend verbessert. Die Interpunktion wurde den heutigen Regeln angepasst, sofern die Satzzei- chensetzung im Original unlogisch erscheint. Aus- zeichnungen im Text wurden wiedergegeben (Fett- druck für Unterstreichungen, Kursivschrift für latei- nische Buchstaben). Insgesamt wurde der Charakter des Originals möglichst bewahrt. Da im Original keine Paginierung vorhanden ist, wurde (v.a. aus grafischen Gründen) auf Seitenangaben verzichtet. Anmerkungen wurden nur dort angebracht, wo sie zur Identifizierung von Personen oder zur Erläute- rung einer Problematik nötig erschienen. Der Be- richt wurde mit Abbildungen aus den Beständen des Liechtensteinischen Landesarchivs illustriert. 6) Nachruf im Liechtensteiner Volksblatt vom 26. 12. 1913 (Nr. 52). 7) Nachruf von Albert Schädler. In: JBL 1914. S. 8. 8) Wie Anmerkung 7. 9) Rechenschaftsbericht des fürstlichen Landesverwesers Carl von In der Maur über die Verwaltungsperiode 1894 bis einschliesslich 1890. Hausarchiv der Regierenden Fürsten von Liechtenstein Wien II 1665. Für eine Kopie dieses Berichts danke ich Frau Dr. Evelin Oberham- mer. 10) Landschreiber Joseph Fritz: Landesbeschreibung aus dem Jahre 1784 (unveröffentlicht, da der erste Teil fehlt); ebenfalls Joseph Fritz: «Entwurf... in welchem Zustand wir das allhiesige Reichsfürsten- thum bei Antretung unserer Amtierung (1775) angetroffen, was wir in dieser Zeit hindurch abgeändert und verbessert» (ca. 1785 unveröf- fentlicht); Georg Hauer: Lokalisierungs-Bericht von 1808. veröffent- licht von Paul Vogt in JBL 1983, S. 71-149; Joseph Schuppler: Lan- desbeschreibung von 1815. veröffentlicht von Alois Ospelt in JBL 1975. S. 189-461. 43
	        

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