Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1990) (88)

RECHENSCHAFTSBERICHT DES LANDESVERWESERS CARL VON IN DER MAUR / PAUL VOGT pflegte er mit besonderer Vorliebe die Sprachen; vor allem gerne las er die alten lateinischen Klassiker. Seine Geschäftsgewandtheit bewährte sich beson- ders bei Verhandlungen mit auswärtigen Staaten, wo er für das Land manche Vorteile erreichte. Seine Arbeitsfreudigkeit war musterhaft; das Arbeiten war ihm nicht Last, sondern Bedürfnis. Die Freude an der Berufsarbeit kam ihm aber auch in seiner Eigenschaft als Regierungschef sehr zu statten; denn ein solcher hat Gelegenheit und Anlass genug, die Arbeitslust zu betätigen. In seiner Hand konzentrie- ren sich gar viele und verschiedenartige Geschäfte: Der Verkehr mit auswärtigen Staaten und Aufgaben der innern Verwaltung. Von letzteren seien hier nur erwähnt: die Gesetzgebung, die technischen Fragen, das Schulwesen, das Finanzwesen, die Polizei, die Fragen der Landwirtschaft, der Viehzucht, das Forstwesen, das Kassawesen, das Sanitätswesen, ferner die fürstliche Domänenverwaltung. Die Ober- aufsicht über alle diese Verwaltungszweige stellt an die Arbeitskraft und das Verwaltungstalent eines Mannes hohe Anforderungen. Unser Kabinettsrat widmete sich diesen Geschäfen mit warmem Eifer. Daneben nahm er auch tätigen Anteil an den Bestre- bungen gemeinnütziger Vereine, von denen wir nur den landwirtschaftlichen und den historischen Ver- ein nennen wollen. Er nahm sich auch noch Zeit zu schriftstellerischer Betätigung. Er schrieb eine Ab- handlung über Verwaltung und Verfassung im Für- stentume Liechtenstein, ferner mehrere geschichtli- che Abhandlungen in unserem historischen Jahrbu- che. Der Verfasser verfügte über einen sehr gewähl- ten Stil. Die Vielseitigkeit seiner Amtspflicht bringt es mit sich, dass der Landesverweser auch mit dem Volke und mit dem Einzelnen aus dem Volke in Berührung kommt und so die Leute durch persönli- chen Verkehr kennen lernt. Das war nun auch bei Herrn von In der Maur der Fall. Er kannte sehr viele persönlich und kannte auch die Verhältnisse von Land und Leuten. Es war aber auch dem einfachen Bürger sehr leicht, mit ihm zu verkehren; er fand an ihm keineswegs einen stolzen Bürokraten, sondern einen Mann mit dem man reden konnte und der es mit jedem gut meinte. Allerdings allen es recht ma- chen, das konnte auch der Kabinettsrat nicht; dieses 
Kunststück hat noch kein Staatsmann zustande ge- bracht. Jeder muss eben auch die bestehenden Ge- setze und Vorschriften respektieren; er ist nicht all- mächtig und er muss in allem das Ganze, das Ge- samtwohl im Auge haben. Überspannte Forderun- gen, wie sie manchmal an einen Landesverweser gestellt werden, werden immer abgewiesen werden müssen. Kein anderer Landesverweser hat den Liechtensteinern so viele fürstliche Wohltaten ver- mittelt, wie der letzte. Wir stehen nun nicht an, zuzugeben, dass man über die Art der Zuwendung da und dort anderer Meinung sein konnte; aber der Kabinettsrat hatte die feste Überzeugung, dass er es recht mache, und darum wollen wir darüber nicht richten. Es ist des Kabinettsrats von In der Maur grosses Verdienst, dass er, wie kein Landesverweser vor ihm, uns das Fürstenhaus nahe gebracht hat. Die Besuche unseres Landes durch Se. Durchlaucht, den regierenden Fürsten, und durch so manche andere Glieder des fürstlichen Hauses haben Höchstdessen Interesse für das Land gesteigert und daran dürfte der Kabinettsrat nicht ganz unschuldig gewesen sein. Für alles, was soliden Fortschritt be- deutet, war der Verblichene zu haben, aber nicht für Dinge, welche dem Lande in irgend einer Weise hätten gefährlich oder schädlich werden können. Er war dem Lande mit aufrichtiger Liebe zugetan und sprach ihm bei Gelegenheit gerne sein Lob. Dabei war er ein treuer Diener des Landesherrn, in dessen Sinne er auch die Verwaltung führte. Wie wir den 3) Die politische Rekursinstanz entsprach der Verwaltungsbe- schwerdeinstanz. 4) Franz Kraetzl: Das Fürstentum Liechtenstein und der gesamte Fürst von und zu Liechtensteinische Güterbesitz. Brünn 1914, S. 11 f. In den Mitgliederverzeichnissen des Historischen Vereins wurde er bis 1913 als «einstweiliger Landesverweser in Vaduz» geführt. 5) In der Meldung über den Hinschied des fürstlichen Kabinettsrats im Liechtensteiner Volksblatt vom 19. Dezember 1913 heisst es: «Der Herr Kabinettsrat nahm noch an der am 4. ds. Mts. abgehaltenen Landtagssitzung teil, welche er wegen plötzlich eingetretenen Un- wohlseins vor Schluss verlassen musste. Während der achttägigen Krankheit erlitt er mehrere Herzkrämpfe und ist einem solchen Anfal- le unter grossen Schmerzen erlegen.» Eine mündliche Überlieferung bestätigt, dass Carl von In der Maur während der Landtagsdebatte einen Herzschlag erlitt. 41
	        

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