Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1990) (88)

RECHENSCHAFTSBERICHT DES LANDESVERWESERS CARL VON IN DER MAUR / PAUL VOGT Einleitung Die Frage «Wie war es vor 50 oder 100 Jahren?» fasziniert immer wieder. Dieser Gedanke bildete den Anstoss, den Rechenschaftsbericht von Landes- verweser Carl von In der Maur aus dem Jahre 1890 im Jahr 1990 zu publizieren. Grund für die Edition des Textes war aber nicht nur die Befriedigung dieser löblichen Neugier, sondern der Quellenwert des Berichtes. Vor allem für die Verwaltungsge- schichte des ausgehenden 19. Jahrhunderts ist der Text ein erstrangiges Dokument, aber auch für die Sozial- und Wirtschaftsgeschichte gibt er interessan- te Aufschlüsse. Sprachlich ist der Text so abgefasst, dass er manchen Interessierten unmittelbarer anzu- sprechen vermag als eine wissenschaftliche Ab- handlung. Carl von In der Maur auf Strelburg und zu Freifeld1 wurde am 16. Oktober 1852 in Wiener-Neustadt ge- boren. Die Familie gehörte dem alten Tiroler Land- adel an und führte den Titel «Tiroler Landstand». Sein Vater Dr. Carl von In der Maur war im Staats- dienst tätig, wo er es bis zum Ministerialrat im Unterrichtsministerium brachte. Der Sohn besuchte das Gymnasium in Wien und studierte anschlies- send Rechts- und Staatswissenschaft an der k. k. Theresianischen Akademie ebenfalls in Wien. Die- ses Studium schloss er 1875 mit Auszeichnung ab. Darauf trat er in den niederösterreichischen Staats- dienst. Bei seiner Ernennung zum Landesverweser in Vaduz übte er das Amt eines Präsidialsekretärs bei der niederösterreichischen Statthalterei in Wien aus. Carl von In der Maur war verheiratet mit Augu- ste von Kogerer, der Tochter des k.k. Hofrats und Eisenbahngeneraldirektors Heinrich Ritter von Ko- gerer.2 1884 wurde Carl von In der Maur von Fürst Johann II. zum fürstlichen Landesverweser in Va- duz ernannt. Diese Stelle trat er am 23. September 1884 an. Am 15. August 1887 wurde hier sein einzi- ger Sohn Gilbert (mit vollem Namen Gilbert Heinrich Carl August von In der Maur auf Strelburg und zu Freifeld) geboren. Gilbert beschritt später die militä- rische Laufbahn. Bei seinem Dienstantritt in Vaduz war von In der Maur noch nicht ganz 32 Jahre alt. Seine Tätigkeit in der österreichischen Verwaltung hatte ihn bereits geprägt, bemühte er sich doch sichtlich, die Landes-verwaltung 
«bürokratischer» zu organisieren. Der neue Regierungsstil lässt sich am besten anhand der zahlreichen neuen Rechtsvorschriften beschreiben. Im Zeitraum des Rechenschaftsberichts (Herbst 1884 bis Dezember 1890) erschienen lediglich elf neue Gesetze (sechs davon waren Finanzgesetze). Überdies wurden drei Staatsverträge und acht Ver- ordnungen und Kundmachungen im Landesgesetz- blatt publiziert. Die gesetzgeberische Tätigkeit des Landtags war auf ein absolutes Minimum be- schränkt. In keiner Epoche vor und nach diesen Jahren hatte sich der Landtag mit so wenig Geset- zesmaterien zu befassen. Im gleichen Zeitraum er- liess der initiative junge Landesverweser jedoch 119 «Normalien» - Vorschriften der Regierung, die zwar häufig gedruckt, aber nicht im Landesgesetzblatt publiziert wurden. Carl von In der Maur erfasste praktisch sämtliche Bereiche des «politischen» Le- bens mit einem dichten Netz von Verordnungen, Instruktionen usw. Die Tätigkeiten in den Bereichen Schule, Kirche, Gemeindeverwaltung, Gefängnis, Hebamme, Kaminkehrer, Viehzucht, Waldbewirt- schaftung usw. wurden normiert und reglementiert. Grosse Wirkung erwartete er offenbar vor allem von Formularen, die er für zahlreiche Zwecke (bis hin- unter zu Quittungen für Gemeinde- und Kirchen- rechnungen) ausarbeitete. In solche Formulare mussten zahlreiche Angaben eingetragen werden, so dass sich die kontrollierende Behörde - häufig der Landesverweser selbst — ein Bild über die Ver- waltungstätigkeit machen konnte. Zweifellos waren solche Vorschriften und Formulare ein geeignetes Mittel, um die Exaktheit und Zuverlässigkeit der Verwaltung zu fördern und gleichzeitig die Tätigkeit der Behörden zu vereinheitlichen. 1) Die Schreibweise des Vornamens (Carl oder Karl) ist schwankend. Um die Jahrhundertwende wurde gewöhnlich «Carl» geschrieben, später «Karl». Die folgenden biographischen Angaben stützen sich hauptsächlich auf die beiden Nachrufe im Liechtensteiner Volksblatt vom 26. Dezember 1913 und im Jahrbuch 1914 des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (Autor: Landtagspräsident Dr. Albert Schädler). 2) Eintrag im Vaduzer Pfarrbuch bei der Taufe des Sohnes Gilbert am 24. August 1887. 39
	        

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