Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1990) (88)

aus schwierigen Zeit befasst, grosse Bedeutung zu. Gegen die Annexionsabsichten des Grossdeutschen Reiches schien einzig eine besonders enge Anleh- nung an die Schweiz den notwendigen Rückhalt zu bieten. Nach dem «Anschluss» Östereichs 1938, so- wie der Besetzung der «Resttschechei» und des Me- melgebietes schien es jedoch nur mehr eine Frage der Zeit, bis auch Liechtenstein mit oder gegen den Willen seiner Bevölkerung an das Deutsche Reich angeschlossen würde. Obwohl der Besuch des Für- sten Franz Josef II. bei Hitler im März 1939 zu einer Entspannung geführt hatte, war es eigentlich nur einem Glücksfall zu verdanken, dass eine geplante Besetzung durch SA-Truppen von Feldkirch aus und ein Putsch im Lande selbst am 24. März 1939 fehl- schlugen. Die Behauptung Liechtensteins gegenüber dem Nationalsozialismus führte auch dazu, dass sich das Verhältnis zur Schweiz, das vor allem aus Gründen wirtschaftlicher Konkurrenz auf einem Tiefpunkt angelangt war, in den folgenden Monaten und Jahren zunehmend besserte. Ab 1940 Hess zwar der militärische Druck des Deutschen Reiches, dem sich Liechtenstein und die Schweiz ausgesetzt sahen, allmählich nach. Dafür tauchte 1943 der Plan auf, den Papst durch deutsche Truppen nach Liech- tenstein bringen und dort internieren zu lassen; bereits im ersten Weltkrieg, 1915, hatte es den Plan gegeben, den Papst mit dem Fürstentum Liechten- stein für den Vatikan zu entschädigen. Hervorzuhe- ben ist, dass Carl sich nicht auf die Aufzählung von Fakten und politischen Ereignissen beschränkt, son- dern zeigt, wie es in Liechtenstein durch geschickte innenpolitische Massnahmen gelang, den national- sozialistischen Aktivitäten den Wind aus den Segeln zu nehmen. Andererseits war man nach Kriegsende bestrebt, auch gegenüber den Sympathisanten des Nationalsozialismus Milde zu üben, um keine neuen Parteikämpfe im Lande zu provozieren. Die beiden letzten Beiträge beschäftigen sich mit der Verfassungsentwicklung des Fürstentums Liechten- stein. Alexander Ignor untersucht zunächst das Ver- hältnis von «Monarchischem und demokratischem Prinzip in der liechtensteinischen Verfassungsent- wicklung». Am Anfang dieser Entwicklung stand die 
«Landständische Verfassung» des Jahres 1818, die gemäss Artikel 13 der Bundesakte des Deutschen Bundes vom Fürsten Johann I. erlassen wurde und zu den konservativsten und autoritärsten Verfassun- gen aller deutschen Staaten zählte. Während den Ständen nur ein formelles Zustimmungsrecht blieb, war die Einführung der Hundesteuer 1828 der einzi- ge ständische Vorschlag, der vom Fürsten gebilligt wurde. Die «Konstitutionelle Verfassung» des Jah- res 1862 baute auf den Erfahrungen des Revolu- tionsjahres 1848 und der Restauration auf. Im Ge- gensatz zum österreichischen Vorbild war es jedoch keine oktroyierte sondern eine vereinbarte Verfas- sung, die dem Landtag das Recht «auf die verfas- sungsmässige Mitwirkung zur Gesetzgebung» zubil- ligte. Die Regierungsgewalt verblieb jedoch beim Monarchen, der einen Mann seiner Wahl zum Re- gierungschef bestellte. Gemäss der noch heute gülti- gen «Verfassung von 1921» ist Liechtenstein eine «konstitutionelle Erbmonarchie auf demokratischer und parlamentarischer Grundlage». Der darin ver- ankerte Dualismus soll einen Kompromiss zwischen monarchischem und demokratischem Prinzip her- stellen und das Zusammenwirken von Monarch und Volk sichern. In der Praxis liegt dieser singulären Verfassungskonstruktion das Bemühen um einen Konsens zwischen Fürst und Landtag zugrunde. Der prägnant formulierte, überaus informative Beitrag schliesst mit der Bemerkung des Verfassers, dass die Erhaltung des monarchisch-demokratischen Konsensprinzips «viel Umsicht und Staatsklugheit und ein Gefühl für das, was dem Lande wohl tut» fordert. Dietmar Willoweit charakterisiert seinen abschlies- senden Beitrag über «Fürstenamt und Verfassungs- ordnung» als «Fiktiven Versuch, unsere Gegenwart nicht engagiert, sondern distanziert, als kleinen Ausschnitt eines grossen historischen Prozesses zu betrachten». Er spannt einen weiten Bogen vom sakralen Königtum des Frühmittelalters über den Absolutismus zum monarchischen Prinzip des 19. Jahrhunderts. Die entscheidende Neuerung des 20. Jahrhunderts stellt seiner Meinung nach die Verfas- sungsurkunde dar. Das Fürstenamt ist ebenso wie 202
	        

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