Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1990) (88)

all en ji ein stein als «Gouverneur»52 von Böhmen öfters er- wähnt. Döblin machte aber einen gravierenden Feh- ler, als er zwei der fürstlichen Brüder Liechtenstein, nämlich Karl und Gundaker, miteinander verwech- selte. Auf Seite 154 wird der Gouverneur mit folgen- den Worten vorgestellt: Starr sass über dem Land wie ein fremdländischer Götze, dem man Menschenopfer bringt, um ihn ru- hig zu halten, ein alter Mann, Gundakar von Liech- tenstein, der Gouverneur und Oberstburggraf, Herr von Troppau und Jägerndorf. Er war schon durch die Kabinette des irrsinnigen Kaisers Rudolf gegan- gen, hatte den Kaiser Matthias sich abkämpfen se- hen. Schwerkrank war er, seine Nächte gestört durch Herzbräune. Im allgemeinen treffen die hier aufgeführten histori- schen Details keineswegs auf Gundaker, sondern eindeutig auf Karl zu. Bei den meisten Auftritten bzw. Erwähnungen in diesem Roman wird kein Vorname angegeben, es heisst einfach «Liechtenstein» oder «der Gouver- neur», aber in bezug auf die geschichtlichen Ereig- nisse ist es klar, dass Karl gemeint wird, erst recht wenn unsympathische Eigenschaften zum Vor- schein kommen, wie «der steife Liechtenstein» (S. 174), «die Götzenbildsäule, Liechtenstein» (S. 175), «das wächserne Ziegengesicht» (S. 179). Bei einer Begegnung mit Albrecht von Wallenstein, damals Stadtoberster von Prag, wird Karl von Liech- tenstein nochmals beschrieben: Der Fürst Liechtenstein überragte ihn [Wallenstein] noch; er sah wie maskiert aus unter seinem breit- krämpigen Hut mit hellroter nackenwallender Fe- der; ein schmaler weisser Kragen hing um den knö- chernen Hals; die Brust war staffiert mit einem dicken Lederkoller, unter dem das grüne Unterkleid hervorkroch; ein breites goldenes Wehrgehenk bela- stete ihn. (S. 179) Mit zwei anrüchigen Ereignissen in Böhmen wird Karl von Liechtenstein fest assoziiert. Seine genaue Rolle dabei scheint zweideutig gewesen zu sein und sei hier dahingestellt. Tatsache ist, dass diese Bege- benheiten auch die Phantasie von Schriftstellern er-3f 
o m a n » o n 2t I f r e 
b T> 6 h l i n € rfle t 95a n b 0. ftifctyer/'Bertagy'SSerlin weckten. Einer der abstossendsten und grausam- sten Zwischenfälle bei der Niederwerfung des böh- mischen Aufstands war die öffentliche Hinrichtung einer ganzen Reihe von protestantischen Adligen im Juni 1621 in Prag. Dies geschah auf ausdrücklichen Befehl Kaiser Ferdinands, und Karl von Liechten- stein musste der schrecklichen Szene Vorsitzen. Döblin bezieht sich darauf, als er den Gouverneur Liechtenstein (fälschlich unter dem Namen «Gunda- kar») vorstellt: Er sass vor der Theinkirche unter dem Baldachin an dem Tage, an welchem das rotbehangene Schafott auf dem Altstädter Ring für die Rebellen aufgeschla- gen war. (S. 154) Viel ausführlicher beschrieben wird der ganze Vor- gang in einem anderen Roman gewaltigen Umfangs, Der grosse Krieg in Deutschland von Ricarda Huch (Erstveröffentlichung 1912-1914).51 Zunächst wird das Gerichtsverfahren über die des Hochverrats An- geklagten geschildert: Den Vorsitz des zu diesem Zweck bestellten Gerichts führte der neue Statthalter Fürst Liechtenstein mit Strenge und Unerbittlichkeit. Die Angeklagten be- 98
	        

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.