Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1987) (87)

Kloster lebte, abgetan, weil er auf dem Weg zur geistlichen Laufbahn war - ein weiteres Argument war, daß er offensichtlich ein recht ungeistliches Leben führte.51 In Wirklichkeit deutet jedoch alles darauf, daß der Partner Goethes in der Tat Josef Wenzel war. Goethe spricht wiederholt vom Bruder seiner Karlsbader Freundin Gräfin Josepha Harrach, was auf Josef Wenzel, nicht auf Philipp Josef zutrifft. Hier dürfte wohl auch eine Empfehlung ergangen sein; ein Irrtum Goethes erscheint unwahr- scheinlich. Auch hatte Josef Wenzel seit 1785 zu geistlichen Studien in Rom geweilt, kannte die Stadt also wesentlich besser als sein Vetter, der gleichzeitig mit Goethe eingetroffen war. Dann war Josef Wenzel, nicht Philipp Josef, seit 1785 Mitglied der Arkadischen Schäfergesell- schaft - nur er war es also, der Goethe einführen konnte, nicht Philipp Josef, der in die Gesellschaft allenfalls hineingerochen haben konnte und kein Mitglied geworden war.52 Auch läßt sich aus der Tatsache, daß sich Josef Wenzel auf einen geistlichen Beruf vorbereitete - oder besser, daß er die geistliche Karriere eingeschlagen hatte, nicht gleich ein permanenter Klosteraufenthalt folgern. Ein junger Domherr, der bereits über eine Pfründe in Köln verfügte, führte ein standesgemäßes Leben, mit einem kleinen Hofstaat. Ein anderer Weg wäre unwahr- scheinlich gewesen. Daß der verhinderte Iphigenie-Übersetzer Abbate Tacchi Ajo, also Erzieher, genannt wurde, weist darauf hin, daß sein Schützling noch im Studium stand, was nur für Josef Wenzel zutrifft. Schließlich: dessen Neigung zu Streichen, sein ungeistliches Betragen entsprach durchaus dem, was in Goethes Verhältnis zum eigenen Herzog Karl August eine zentrale Rolle gespielt hatte und was er in den böhmischen Bädern mit den Aristokraten auch nach seiner Italien- reise noch öfter praktizieren sollte. Man wird also die herrschende Meinung korrigieren müssen: Goethe hatte es wohl mit Prinz Josef Wenzel, dem zweitgeborenen Sohn jenes Prinzen Karl Borromäus53 zu tun, der Chef der Sekundogeniturlinie in Mährisch-Kromau war. Karl Borromäus war ein entschiedener Josefi- ner. Von Fürst Josef Wenzel protegiert, hatte er 1747 im niederländi- schen Feldzug eine Militärkarriere begonnen, die den jungen Aristo- kraten schnell nach oben führte. Am Ende des Siebenjährigen Krieges wurde der 33jährige bereits Feldmarschall-Leutnant. 1764 nahm er wie Fürst Josef Wenzel an den Krönungsfeierlichkeiten in Frankfurt teil. Er schloß sich eng an den jungen Kaiser Josef II. an, dem er wesensver- 52
	        

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