Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1987) (87)

sive gedrängt. Der Dichter Goethe aber war kein Geringerer als der Minister des im Fürstenbund führenden Herzogs Karl August von Sachsen-Weimar, also eines Fürsten, der sich damals eindeutig gegen den Kaiser profiliert hatte und sogar 1789 von opponierenden magyari- schen Kreisen als Kandidat für die Stefanskrone ins Auge gefasst werden sollte.8 Zwar war im Herbst 1786 Friedrich II. von Preußen auf dem Höhe- punkt seines Triumphes gestorben, aber der Fürstenbund lebte noch, noch war den kleineren Partnern das egoistische und reichsfeindliche Spiel Preußens nicht deutlich geworden - der Erfolg der frideriziani- schen Politik ging so weit, daß man nun in Wien sogar befürchtete, der neue preußische König Friedrich Wilhelm II. würde seinen zweiten Sohn, Prinz Ludwig, konvertieren lassen, dessen Wahl zum Koadjutor des Erzbischofs von Mainz betreiben und damit die Hand auf das erste geistliche Fürstentum Deutschlands legen - eine Krönung der antikai- serlichen Politik Preußens.' Wenn aber Berlin das Amt des Kurerz- kanzlers kontrolliert hätte, hätte sich der Kaiser dem Würgegriff der preußischen Politik kaum mehr entziehen können. Die Reise Goethes wurde also parallel zur gleichzeitigen Entsendung eines preußischen Geschäftsträgers, des Marchese Lucchesini, nach Rom gesehen, der angeblich die Mainzer Koadjutorwahl betreiben sollte. Wenn ein sach- sen-weimarischer Minister schon höchstpersönlich nach Rom reiste, lag es nicht auf der Hand, daß er dort Politik im Sinne des Fürstenbun- des zu treiben hatte? Und Josef II. hegte den massiven Verdacht, daß auch Goethe den Papst gegen ihn einnehmen sollte. Etwas anderes konnte sich der Rationalist auf dem Kaiserthron gar nicht vorstellen. So wandte sich im Auftrage Josefs II. der österreichische Staatskanzler Fürst Wenzel Anton Kaunitz am 4. März 1787 an den Kardinal Franz Xaver Graf Hrzan-Harras1", der nicht nur bevollmächtigter Minister am päpstlichen Hof war, sondern als entschiedener Josefiner das Vertrauen des Kaisers hatte." Hrzan sollte unauffällig in Erfahrung bringen, was Goethe in Rom treibe. Der Kardinal hatte sich aber seiner Aufgabe bereits sehr gründlich entledigt und schon mit den Recherchen eingesetzt12 - Goethe hatte damals allerdings auch schon vier Monate in Rom geweilt. Hrzan verstand es sogar, einen hübschen Brief von Goethes Mutter, ihre erste Reaktion auf die Nachricht des verschollenen Sohnes aus Rom, in seinen Besitz zu bringen und an den Kaiser zu übersenden.11 Die Recherchen Hrzans wurden vor allem 42
	        

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