Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1986) (86)

Die Geschichte der Juden in Liechtenstein ist bis heute noch nicht geschrieben, ja nicht einmal ansatzweise erforscht. Eine mangelhafte Überlieferung der Quellen sowie ein lange Zeit fehlendes Interesse für diesen Gegenstand sind dafür verantwortlich zu machen, nicht zuletzt aber auch die Tatsache, dass in der Geschichte des Weltjudentums Liechtenstein zweifellos nur einen sehr untergeordneten Rang ein- nimmt. Dennoch erscheint es nicht ohne Reiz in einer Zeit, in der das Interesse an der jüdischen Vergangenheit in einem hohen Masse zunimmt, auch die Aufarbeitung der jüdischen Geschichte in Liechten- stein in Angriff zu nehmen. Als ein erster Schritt dazu versteht sich folgender Beitrag. Die Geschichte der Juden in Liechtenstein ist, wie schon angedeutet, heute weitgehend vergessen. Doch erinnern Flurnamen wie «Judenbü- chel» in Eschen1 und Mauren2, «Judengasse» in Mauren3 oder «Juden- halde» in Planken4 an eine Anwesenheit von Juden in der Vergangen- heit. Bereits für das Mittelalter ist infolge der wirtschaftlichen und kulturellen Ausrichtung des Landes auf das städtische Zentrum Feld- kirch, wo selbst eine blühende Judengemeinde bestanden hat5, an einen anhaltenden Kontakt der Bevölkerung mit Juden anzunehmen. Durch seine geographische Lage an der Passstrasse hielt Vaduz auch immer schon eine Verbindung mit «Erez Israel» aufrecht, indem hier Pilgergesellschaften auf dem Weg ins Heilige Land Station gemacht haben.6 Auf durchreisende Juden deutet auch das Vaduzer Zollbuch7 von 1552: Jeder Jude hatte 30 Pfennig und 3 Würfel Transitzoll zu entrichten. Für Leichentransporte8 wurden 30 Pfennig und 30 Würfel verlangt. Der Würfelzoll für Juden ist weit verbreitet und diente offensichtlich dazu, eine Judenfeindschaft wachzuhalten (Erinnerung an das Würfeln um die Kleider Christi anlässlich der Kreuzigung, vgl. Matthäus 27, 35).9 Durch die Ansiedlung der Juden in Hohenems 1617 und den Kauf der Herrschaften Vaduz und Schellenberg durch die Grafen von Hohenems 1613 wurde der Handel mit Juden auf eine neue Grundlage gestellt. Die liechtensteinische Bevölkerung unterhielt in den darauffolgenden 150 Jahren enge Kontakte zu Juden in Hohenems.1" Gleichzeitig kam es während des 30jährigen Krieges zu einer ersten Ansiedlung von Juden in verschiedenen Orten der Herrschaften Vaduz und Schellen- berg. 1639 beklagte sich die Stadt Feldkirch bei der Erzherzogin Claudia in Innsbruck, dass sie durch «die in der herrschaft Schellen- 329
	        

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