Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1986) (86)

Vernunft» das Siedlungskonglomerat gegenüber der offenen Landschaft abschliessen. Unsere Ortsbilder, ein Ergebnis dieses insularen Denkens, sind demgemäss Ausdruck des Nebeneinanders. Notwendig wäre demgegenüber ein Konsens über das Miteinander, die Verantwortungsübernahme durch alle. Ortsbildschutz erfordert nach REITH Ver- zicht auf rücksichtslose Durchsetzung und Ausnützung, Verzicht auf Abbruch, statt dessen Einfühlungsvermögen und Kreativität. 15) Eines der ältesten und widerstandsfähigsten Wunschbilder und Symbole ist das freistehende Einfamilienhaus. Die «Villa», die heute als Kümmerform in end- und teils gesichtslosen Streusiedlungen (vgl. Abb. 35) dem «kleinen Mann» Freiheit und gesundes Leben verspricht, hat einen langen Verwandlungsprozess hinter sich. «Die einst mit ihr verbundenen Privilegien und Lustbarkeiten haben sich in Plackerei. Hypotheken und lange Verkehrswege verwandelt», meinte ACHLEITNER (1977) treffend. BATLINER E.H. (1974) bezeichnete Liechtenstein als das Land mit dem höchsten hypothekarischen Schuldenberg der Welt. Der Hypothekenbestand hat sich Ende 1985 auf sFr. 1 901 848 209.- erhöht und dürfte im Verlaufe des Jahres 1986 die Zwei-Milliarden- Grenze überschritten haben (LIECHT. VOLKSBLATT. 6. Aug. 1986). Und dennoch bleibt das Einzelhaus ein Symbol, das trotz des sichtbaren Schwundes seiner positiven Eigenschaften scheinbar kaum an Attraktivität verloren hat. ACHLEITNER (1977) sieht die Symbolkraft nicht allein vom Idealbild der Villa abgeleitet, sondern auch im lebendig gebliebenen Erfahrungsgut, das noch immer «freistehend» mit «frei» und «dicht» (zusammenhängend) verbaut mit «unfrei» assoziiert. Allemannische Wohn- und Lebensform sind vor allem noch durch das freistehende Eigenheim charakterisiert. Das eigene, wenn möglich freistehende Haus hat auch in Liechtenstein noch seine ganz grosse Bedeutung. 16) Eine eigentliche Arealstatistik mit Registrierung des Nutzungswandels besteht für Liechtenstein derzeit noch nicht. Obige Zahlenwerte setzen sich aus verschiedenen Schätzungen zusammen. Die Siedlungsfläche stellt die gemäss Bestandesaufnahme 1980 (LANDESVERWALTUNG DES FÜRSTENTUMS LIECHTENSTEIN, 1981) fortge- schriebene Ziffer dar. 17) BÜCHEL. K. (1986) gibt aufgrund eigener Berechnungen eine Flächenangabe von 2110.5 ha für das Siedlungsgebiet an. 18) Nettosiedlungsfläche = Nettobaufläche + Verkehrsfläche + Fläche für öffentliche Bauten und Anlagen. 19) In den schweizerischen Bauzonen haben bei 6,505 Mio. Einwohnern (1984) rund 10 Mio. Menschen Platz (TSCHÄNI, 1986), d. h. die Bauzonen sind derzeit in der Schweiz um rund ein Drittel zu gross, in Liechtenstein hingegen um das Vierfache. 20) Unter dem Begriff des Landverbrauches wird hier der Entzug der Flächen aus der ursprünglichen Nutzung - der Landwirtschaft - verstanden. Die Zahl ist also nicht mit dem Kulturlandverlust in Form der Überbauung ident. Dieser ist im Verlaufe des letzten Jahrzehnts auf 25-26 ha anzusetzen. 21) Der Kulturlandverlust wird in der Schweiz auf einen Quadratmeter pro Sekunde (= ca. 10 ha pro Tag) geschätzt (TSCHÄNI, 1986), in Liechtenstein auf 1100 m2 pro Tag. Absolut fallen somit in der Schweiz 0,9 Promille, in Liechtenstein 2,5 Promille der Überbauung zum Opfer. Damit ist der Landschaftsfrass in Liechtenstein fast drei mal höher als in der Schweiz anzusetzen (vgl. Abb. 38). REITH (1986) rechnet aufgrund verschiedener Quellen für Österreich mit einem tägli- chen Kulturlandverlust von 35 ha. 22) Liecht. Oberland = Bongert. 294
	        

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