Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1986) (86)

Bodenbesitzer in Volksabstimmungen solidarisieren. Der deutsche Liberale Karl-Hermann Flach (in TSCHAENI, 1986) drückte es so aus: «wenn sie nur einen Schrebergarten besitzen, wähnen sie sich schon in Solidarität mit den Milliardären in der Abwehr aller Anschläge gegen Eigentum und Erbrecht». Vor allem unter diesem Gesichtswinkel ist beispielsweise der Volksentscheid für eine Bauzonenerweiterung im sog. «Mühlehölzle» in Vaduz vom März 1986 trotz intensiver Grund- satzauseinandersetzung in den Medien zu verstehen. Hinweise auf entsprechende Lösungsansätze im benachbarten Ausland werden teils zudem als für den Liechtensteiner nicht zumutbar abge- wiesen. Der «liechtensteinische Weg», verstärkt und getragen von einem finanziellen Selbstbewusstsein, entwickelt sich zunehmend zu einem Anspruchsdenken des einzelnen Bürgers. Er wird dabei auch teils von den Parteien, wohl unbeabsichtigt, unterstützt, insbesondere vor den Wahlen, so z.B. mit einem Wahlslogan vor den letzten Parlamentswahlen: «Uns geht es gut, so soll es bleiben!». Der immer wieder vorgetragene Ruf, Mass48 zu halten, verklingt eher ungehört. Die dynamische Wohlstandsgesellschaft kann so in eine Identitätskrise hineinrutschen. Es besteht die Gefahr, sich nicht mehr herauszufor- dern, sondern sich selbst zu genügen. Eine notwendige kritische Stand- ortsbestimmung und Auseinandersetzung findet so zu wenig statt49. RECK (1986) meint hierzu, man entziehe sich zu häufig den wichtigen politischen Grundsatzfragen. Er zitiert für die Schweiz den Historiker Herbert 
Lüthy: «In rein quantitativ-geschäftstüchtiger Ausnutzung der Konjunktur hat unser Land die ausserordentliche Gunst der Stunde genutzt, und vielleicht verschleudert. Es wurde vorwiegend gerafft und nicht experimentiert. Die Schweiz, intakt wie sie war, hätte sich zum Laboratorium Europas entwickeln können. Doch der wachsende Wohl- stand treibt nicht dazu an, das Übermorgen ins Visier zu fassen. Ernährt nur die Gier. Die Satten wollen noch satter werden». Liechtenstein ist in der ähnlichen Situation wie die Schweiz. Auch der «Modellfall Liech- tenstein» findet zu wenig statt (vgl. BROGGI, 1986b). Aus der Sicht des Natur- und Landschaftsschutzes wäre eine mögliche Folgerung, dass ein finanziell reiches Land in Konsequenz ein armes Land an Naturwerten wird. Die Berner Politikerin Leni Robert meinte hierzu kurz und 
bündig: «Je günstiger das Steuerklima, desto mehr wurde in der Vergangenheit verbaut und versaut» (Brückenbauer, 18. Juni 1986, Zürich). 243
	        

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