Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1984) (84)

Hemmungen in stolzem Selbstbewusstsein darstellend.122 Schwermü- tig-ernst, sorgenvoll wirkt der Gesichtsausdruck der Grotenrather Altarfiguren, etwas von der Gequältheit des Manierismus liegt noch darin. Dem Betrachter begegnen weitere Merkmale, die zwar wie die bereits genannten zeitbedingt sind, man in ihrer eigenartigen Formu- lierung aber als persönliche Stilmerkmale Erasmus Kerns bezeichnen möchte, auch wenn sie den Einfiuss Jörg Zürns nicht verleugnen. Man beachte die schon erwähnte ornamentale Haarbehandlung, die Gesichtsbildung mit den leise geöffneten Lippen, den rundgestoche- nen Mundwinkeln und der runden Vertiefung zwischen Mund und Kinn. Darüber die Nase, leicht überhängend durch die eigenwillig vorgedrängte Nasenscheidewand. Dann diese bandförmig gestalteten, etwas schräg liegenden Augen unter der in Falten gelegten Stirn. Auch diese Figuren zeigen die eigentümliche Vertiefung der Fingernägel, von der Yvonne Sperger sagt, dass sie den Finger mitunter um mehr als die Hälfte seines Durchmessers verringert.123 Wieder erfasst der Blick die ganze Figur, versucht zu gleiten. Hier ragt ein Fuss über den Sockel hinaus, dort schiebt sich eine Hand über die Nischenabgrenzung, rahmenverwischend, weit genug, um die bisher scharfe Trennung zwischen Architektur und Plastik zu durch- brechen. Ein Vorstoss ins Barocke. 120 Dazu: Adolf Feulner (N 86), S. 4 f. Zitat: «Nach der Jahrhundertmitte hat es den Anschein, als ob die Skulptur nur mehr ein Thema kenne, Ausdruck und Bewegung des menschlichen Körpers. . .. Das Seelische tritt zurück. Der individuelle Ausdruck wird nebensächlich. Noch mehr. Man entwertet den Menschen, den man in Kompositionsschemata hineinzwängt. .. . Die Entwertung der Form bringt immer eine Umwertung. . . . Man wird der neuen Richtung eher gerecht, wenn man bedenkt, daß einen der Endpunkte die visionäre Kunst eines Greco bildet.» 121 Zum Seelischen als die den Körper motivierende Kraft: Walter Thomae, Das Barockprinzip in der bildenden Kunst, in: Repertorium für Kunstwissenschaft. Bd. 45,1924, S. 20 f. 122 Vgl.: Heinrich Lützeler (N 119), S. 14 f. 123 Yvonne Sperger (N 2), S. 126. Die persönlichen Stilmerkmale Kerns beschreibt: Yvonne Sperger (N 2), passim. 57
	        

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