besonderem Masse für die deutsche Barockkunst, denn diese zeigt kein so klares Entwicklungsbild wie die der benachbarten Länder. Schon die Basis ist eine andere: Es ist die Gotik, die für die Kunst der deutschen Renaissance und der Folgezeit das Fundament bildete. Hinzu kommt, dass sich in Deutschland, bedingt durch den Dreissig- jährigen Krieg, die kulturelle Entwicklung verzögerte, so dass hier in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts durch die italienischen Einflüsse im Süden, die französischen im Westen und die holländi- schen im Norden drei fremde, voneinander abweichende Entwick- lungsrichtungen einwirken konnten. Erst nach 1680, nachdem die Probleme von Gotik, Renaissance und Reformation sowie die fremden Ausstrahlungen verarbeitet worden waren, begann eine Phase «kernhaft schöpferischen Gestaltens»:85 der deutsche Hochba- rock.86 Die deutsche Kunst des beginnenden 17. Jahrhunderts aber ist noch eine suchende. Verwurzelt in heimischen Traditionen, insbeson- dere dem Gotischen, befindet sie sich in ihrem Drang nach Naturalis- mus auf der Suche nach neuen Ausdrucksformen. Dabei nimmt sie niederländische Einflüsse, zum Teil italienisch gefärbt, bereitwillig in sich auf.87 Selbständig entsteht die deutsche Barockkunst. Indes - ihr fehlt das grosse Mäzenatentum, die Monumentalität der Aufträge und damit die Erziehung zur Monumentalität der Gesinnung. Das kleine Vielerlei drängte zum Handwerklichen. Vergeblich sucht man hervorragende Künstlerpersönlichkeiten:88 «In der Wüste der Jahr- hundertmitte wirkt Glesckers Bamberger Kreuzigung ergreifend einsam.»89 85 Zitat: Frederik Adama van Scheltema, Die Kunst des Barock. Bd. 4 der Reihe «Die Kunst des Abendlandes». Stuttgart 1958, S. 155. 86 Zum Ganzen: Adolf Feulner. Die deutsche Plastik des siebzehnten Jahrhunderts, München 1926, S. 1 f.: Richard Benz (N 20), S. 19 f.; Frederik Adama van Scheltema (N 85), S. 155; Arno Schönberger, Deutsche Plastik des Barock. Königstein/Taunus 1963, S. 3 f. 87 Brinckmann spricht von drei Wurzeln der deutschen Kunst zu Beginn des 17. Jahrhunderts. Siehe: Albert Erich Brinckmann, Barockskulptur. Entwicklungsge- schichte der Skulptur in den romanischen und germanischen Ländern seit Michelangelo bis zum 18. Jahrhundert, Bd. 1, Berlin-Neubabelsberg 1919, S. 181. 88 So auch: Albert Erich Brinckmann (N 87), S. 192; Adolf Feulner ( N 86), S. 5 f. 89 Zitat: Werner Hager, Barock. Skulptur und Malerei. Baden-Baden 1969, S. 73. 41