Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1981) (81)

Das Bruederhüsle Vom kämm des Christberges und der kleinen kirche zu st. Agatha führt ein jäher steig in unaufhörlichem zigzag, holperig, schmal und abschüssig den waldigen bergesabhang hinab nach Dalaas. Ungefähr mitte weges steht in stiller Waldeinsamkeit ein nischenartiges kapellchen, geschmückt mit einem lieblichen madonna-bilde. Dieses kapellchen führt im munde des volkes den namen «bruederhüsle». Jeder, der den mühevollen weg auf- oder niederkommt, setzt sich gerne zur rast, bei dem freundlich-einsamen bruderhäuschen im Walde. Als seinen grün- der und Stifter nennt die fromme sage einen nun längst dahingeschiede- nen Tannberger. Demselben wurde seiner zeit ein knäblein geboren, das kind war aber tod zur weit gekommen und konnte nicht mehr ge- tauft werden, was den frommen vater sehr betrübte. Solch' todtgeborene, ungetaufte kinder pflegte man damals nach Schruns in Montavon in die kirche zu tragen und sie daselbst auf den Josephialtar zu legen. Alsdann zog man glaubwürdige zeugen bei, stellte gebethe an, und siehe, da ge- schah es öfters, dass in den todten hüllen das leben auf eine kurze zeit wiederkehrte, und der eilends herbeigerufene priester die heilige taufe ertheilen konnte. Der Tannberger, voll gläubigen sinnes, befahl nun seinem knechte, die leiche auch nach Schruns zu tragen. Der knecht mochte die sache als aberglauben ansehen, wenigstens trug er die kindes- leiche nur bis in den Dalaaser wald, grub sie dort ein, und kehrte wieder um. Daheim meldete er: er habe das todte knäblein auf den Josephi-altar in Schruns niedergelegt, und dasselbe habe alsbald durch plötzliches rothwerden der wangen und lippen unzweifelhafte zeichen des lebens gegeben und sei sofort ordentlich getauft und zur geweihten erde be- stattet worden. Der vater gab sich dess zufrieden. — Nach einem jähre ward der Tannberger von seiner ehefrau wieder mit einem knäblein beschenkt, aber auch dieses war leider tod zur weit gekommen. Diessmal war es der vater selbst, der die leiche nahm und sich damit auf den weg nach Schruns machte, um seinem kinde die heilige taufe zuzuwenden. Er hatte ungefähr die hälfte des zigzagweges von Dalaas bis auf die höhe des Christberges zurückgelegt, als er sich ermüdet niedersetzte, um eine weile auszuruhen. Und wie er so da sass, und sich den schweiss von der stirne wischte, rief es neben ihm, wie er glaubte unter einer erdscholle: «ätti nüm mi' ö met»! Die stimme rief bald noch einmal und recht wimmernd und kläglich. Der Tannberger grub nun in der erde nach, 145
	        

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